Von der Planung bis zur Eröffnung der Lehranstalt

1866

11. Oktober 1866

Eduard von Lade schickte am 11. Oktober 1866 Obst an König Wilhelm I. Er berichtet in seinem Tagebuch darüber:

Im Herbst 1866 hatte ich unserem König eine Obstsendung gemacht, wie sie schöner nie aus Monrepos hervorgegangen ist. Es waren 11 große Kisten mit den herrlichsten Birnen, Aepfeln, Pfirsichen und Trauben. Der König erzählte mir selbst später einmal, wie er meine Sendung bewundert habe: „Als ich einen Saal betrat, der ganz mit Ihren Früchten angefüllt war, und mein Erstaunen über die Menge und Mannigfaltigkeit äußerte, führte mich Perponcher zu meiner nicht geringen Überraschung in einen zweiten Raum, wo auch alle Tische mit Ihrem köstlichen Obst besetzt waren.“ Mit dieser Sendung hatte ich folgendes Immediatschreiben an Se. Majestät gerichtet, und dadurch jede für mich persönlich etwa in Aussicht stehende Gunstbezeugung der projectirten Anstalt zugewandt:

Allergnädigster König und Herr!
Daß mit unserem schönen Herzogthum auch die Quellen der edelsten Weine, gleichwie der berühmtesten Mineralwasser, der preußischen Krone, anheimgefallen sind, ist Ew. Majestät bekannt aber vielleicht nicht, dass dieses Land, und namentlich der untere Rheingau, besseres Obst producirt als irgend ein anderer Theil Deutschlands, ja wohl ganz Europa’s. Die Pfirsiche, Birnen, Aepfel und Trauben sind schöner und von edlerem Fleisch und Saft als selbst die vorzüglichen französischen Früchte. Meinen Obstcollectionen auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Erfurt ist der höchste Preis zuerkannt worden. Noch größer ist die mir heute gewordene Genugthuung, eine Sammlung meiner diesjährigen Früchte meinem neuen Landesherrn, unserem allergnädigsten König, überreichen zu können. Der Rheingau, und namentlich Geisenheim, dürfte seiner außergewöhnlich günstigen Klima- und Bodenverhältnisse halber für eine pomologische Hochschule mit pomologischen Mustergärten vorzugsweise geeignet sein. Und eine solche Lehr- und Musteranstalt würde nicht nur zu einer gedeihlichen Entwicklung der so wichtigen Obstcultur im ganzen Königreich wesentlich beitragen, ihre Errichtung hierorts würde auch als ein Beweis Ew. Majestät allergnädigsten Wohlwollens für diese Gegend mit Dankbarkeit begrüßt werden!
In tiefster Ehrfurcht ec.ec.
Geisenheim im Rheingau, 11. October 1866
Königliches Hofmarschallamt.

1867

8. Juni 1867
Regierungspräsident Gustav von Diest in Wiesbaden wird informiert, dass der Geheime Oberregierungsrat Christian Heinrich Eduard Heyder noch im Juni nach Geisenheim zu einer Besprechung zwecks Eröffnung der Lehranstalt kommt. Der Geisenheimer Bürgerausschuss würde 5 ha Land erwerben und für die Anstalt zur Verfügung stellen.

15. Juli 1867
Der Minister fordert den Regierungspräsidenten Diest auf, ein Gutachten zu erstellen, ob Geisenheim oder Wiesbaden geeigneter wäre.

28. Juli 1867
In Geisenheim wird der formelle Beschluss über ein Grundstücksangebot der Stadt gefasst.

30. Juli 1867
Der Preußische Landwirtschaftsminister Werner von Selchow und Regierungspräsident Gustav von Diest besprechen mit Herrn von Lade die Gründung einer pomologischen Anstalt. Im Anschluss berichtet von Lade dem preußischen Ministerpräsident Otto von Bismarck von diesem Gespräch.

12. August 1867
Das Amt Rüdesheim weist darauf hin, dass auch eine Rebschule integriert werden sollte.

20. Dezember 1867
Die Stadt Kronberg am Taunus schreibt an den König und empfiehlt sich als Standort. Geisenheim wäre klimatisch nicht geeignet, da es zu südlich sei.

1868

6. Februar 1868
Die Landtagskommission stellt 18.000 Taler im Haushalt für die Gründung einer pomologischen Anstalt in Geisenheim ein mit einem Stimmanteil von 7:5 Stimmen für Geisenheim


15. Februar 1868
In dritter Lesung wird Geisenheim als Ort abgelehnt und das Geld zurückgehalten, da sich zwei Abgeordnete für Kronberg aussprechen. Es wird sich auf Folgendes geeinigt: Die königliche Staatsregierung wird aufgefordert, einen vollständigen Plan mit Kostenvoranschlag für eine pomologische Lehranstalt vorzulegen.


Sommer 1868
Bei einer örtlichen Prüfung von Kronberg am Taunus spricht sich Oberregierungsrat Heyder für Geisenheim aus.

Oktober 1868
Das pomologische Institut in Proskau in Schlesien wird eröffnet. Damit ist für den Obstbau in „härterem Klima“ gesorgt. Dadurch wird ein wichtiges Argument von Kronberg hinfällig.

 

Berlin, den 22. Juni 1869 Euer Wohlgeboren benachrichtige ich in Erwiederung Ihres Antrages vom 12. d. M. daß mein Commissarius Herr Geheime Ober-Regierungs-Rath [Heyder] in den letzten Tagen des laufenden Monats in Wiesbaden eintreffen und sich dann längere Zeit dort auf-halten wird. Derselbe ist von mir beauftragt worden nach seinem Eintreffen die von der Commune zu Geisenheim für die Zwecke des dort zu errichtenden pomologischen Instituts zu übergebenden Ländereien zu übernehmen, die Kaufverträge wegen der zu demselben Behuf vom Staat zu acquirirenden Grundstücke abzuschließen, überhaupt alle diejenigen Handlungen vorzunehmen, welche zur vollständigen Regulierung dieser Angelegenheit erforderlich sind, damit noch in diesem Jahre mit den Erd- und Pflanzarbeiten begonnen werden kann. Der Erlaß des Kauf-Werth[ ... ] ist schon um deshalb nicht zulässig, weil die Commune sich den Eigenthum an den zur Benutzung für die pomologische Anstalt zu übergebenden Ländereien vorbehalten hat. Der Minister für landwirtschaftliche Angelegenheiten v. Selchow An den Herrn Bürgermeister Dr. Weil Wohlgeboren zu Geisenheim

1869

Geisenheim, den 3. Juni 1869 Der Bürgerentscheid hat heute den Ankauf des Geländes zum Pomologischen Institut mit 32 gegen 16 Stimmen genehmigt. Herr Consul Lade gibt sein Gebäude zu 12 Goulden pro Ruthe. Morgen folgt der Antrag bezüglich des genehmigten Ankaufs mit der Eisenbahndirektion. Euer Hochwohlgeborener Der Bürgermeister Dr. Weil Herr Regierungsrath Bossart in Wiesbaden

Frühjahr 1869
Die Geisenheimer Bevölkerung spricht sich gegen die Ansiedlung der Lehranstalt im Westen der Stadt aus. Es gibt die Befürchtung, dass eine zu große Nähe zu Rüdesheim entsteht und auch Besucher sich eher nach Rüdesheim orientieren.

23. Februar 1869
Mit einem Flugblatt stimmt von Lade die Bevölkerung um.

3. Juni 1869
Mit 36 gegen 16 Stimmen wird der Ankauf im Westen vom Bürgerausschuss der Stadt Geisenheim genehmigt.

9. Juli 1869
Die Lehranstalt erhält einen Vertrag vom Gemeinderat über die Nutzung von 20 Morgen und 41 Ruten für die Dauer seines Bestehens.

September 1869
Im September wird Generalkonsul Eduard von Lade durch den Herrn Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Selchow mit der oberen technischen Leitung der für die Anstalt einzurichtenden Anlagen betraut, während gleichzeitig Regierungsrat Bossart von Wiesbaden als Administrativ-Kommissarius eingesetzt wird. Geheimer Regierungsrat von Trapp in Wiesbaden erhält den Auftrag, die Anlagen von Zeit zu Zeit zu besichtigen. Kommissarius des Herrn Ministers ist der Geheime Oberregierungsrat Heyder.

Im gleichen Jahr wird das von Teng’sche Haus gekauft als Unterkunft für Beamte.

1870 - 1872

Mitglieder des Kuratoriums der Königlichen Lehranstalt für Obst- Wein- und Gartenbau: Königl. Präsident des Regierungsbezirks Wiesbaden, Herr Günther Karl Lothar von Wurmb Regierungsrat Hermann Christian Arndts, Wiesbaden Eduard von Lade Geheimer Regierungsrath Dr. Singelmann vom Königl. Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten zu Berlin Geheimer Oberregierungsrath und vortragender Rath im Ministerium, Herr Dr. Hugo Thiel Wirklicher Geheimer Ober- Regierungsrath Herr Christian Heinrich Eduard Heyder aus Berlin

Juni 1870
Die Geschäfte des Administrativ - Kommissarius gehen im Juni auf den Regierungsrat Hermann Christian Arndts in Wiesbaden über.

9. August 1871
Grundsteinlegung der königlichen Lehranstalt und Errichten der ersten Gebäude (Hauptgebäude und Wirtschaftsgebäude)

November 1871
Bernhard Oswin Hüttig (1827-1889) übernimmt als erster Direktor die Leitung der Königliche Lehranstalt

31. Juli 1872
Minister von Selchow unterzeichnet die Statuten der „Anstalt“. Es werden weitere 5 ½ Morgen Weinbergsareal dazugekauft.

19. Oktober 1872
Feierliche Eröffnung der Königlichen Lehranstalt für Obst- und Weinbau mit 2 Gebäuden, 4 Dozenten und 6 Eleven.

Plan aus dem Jahresbericht 1897 Den größten Teil der Fläche A nimmt der Zierpark (15) ein, dessen Beschreibung in dem IX. Abschnitte Gartenbau folgt. Nahe beim Eingangsthore führt eine Brücke über die Eisenbahn hinweg zu dem alten und neuen Internatsgebäude (16 und 17) und die sogen. Saatschule (18). In dem Internate wohnen zur Zeit 31 Schüler, die von einer dazu angestellten Köchin beköstigt werden. Im ersten Stock des neuen Internatsgebäudes befindet sich die Wohnung des 1. Obergärtners und im Dachstock diejenigen des ältesten Anstaltsgärtners und der Köchin. Die Küche ist im Kellergeschoß. Zur Saatschule gehört noch die für die Schüler bestimmte Kegelbahn und ein Turnplatz. Von hier aus über die Brücke in den Park zurückkehrend gelangt man an der Statue des Herrn Generalkonsuls E. v. Lade (24) vorbei nach der meteorologischen Station (19), 20 ein Springbrunnen umgeben von Teppichbeeten, 21 der Obstpark, der vorzugsweise aus Formobstbäumen und den verschiedensten Obstgehölzen in freier Anordnung besteht. Hier befindet sich die vom Herrn Geheimen Kommerzienrat Julius Wegeler in Koblenz der Anstalt geschenkte Statue, eine antike Winzerin darstellend. Die Ecke des Grundstückes A, das einen Flächenraum von 3,865 ha umfaßt, füllt der Spaliergarten (23) aus, der in dem V. Abschnitte Obstbau eingehender beschrieben ist. Nach Norden und Osten wird das Grundstück durch ein Bruchsteinmauer, nach Süden und Westen durch einen Weißdornzaun eingefaßt. Aus dem Westlichen Thore von A tretend überschreitet man einen öffentlichen Weg und kommt in den sogen. Muttergarten B, der 5 ha groß ist. Das mit 3 bezeichnete Quartier ist mit Apfel- und Birnbäumen in Form von Pyramiden, Spindeln und Kordons bepflanzt. Auf den Quartieren 4 befinden sich die wichtigsten Apfel- und Birnsorten als Hochstamm angepflanzt, zwischen denen Reihen von Zwetschen, Pflaumen, Pfirsichen und Aprikosen stehen, zwischen den Bäumen einer Reihe wird Beerenobstkultur und zwischen den Reihen wieder ausgedehnter Gemüsebau getrieben. Das Quartier 5 ist für das Kirsch-, Zwetschen- und Pflaumensortiment in Hochstammform bestimmt. Die einzelnen Quartiere sind mit Rabatten eingefaßt, aus denen Palmetten von Birnen und Aepfeln mit Reben abwechselnd, von wagerechten Kordons umgeben, gezogen werden. An der Eisenbahn entlang steht ein größeres Weidensortiment zur Anzucht der für den umfangreichen Betrieb erforderlichen Pact- und Bindeweiden. B 1 ist das Obsthaus, das zur Aufnahme des Winterobstes dient und auf seinen Gestellen und Hurden bei einfacher Schichtung etwa 150 Ztr. Aepfel und Birnen faßt.
Festschrift zum 25-jährigen Jubliäum