Fermentationsgetränke - Schwerpunkt Wein

Unabhängig von der Bewirtschaftungsform von Weinbergen (integriert, ökologisch, biodynamisch u. a. ) steht mit der Güte der Trauben bei der Lese nur eine potenzielle spätere Weinqualität zur Verfügung. Erst durch kellertechnische Verfahrensschritte und vor allem durch mikrobiologische Prozesse entsteht die reale Weinqualität, welche der Konsument sensorisch erfassen kann. Abhängig davon wann welche Mikroorganismen während der Weinbereitung aktiv sind und über welche Eigenschaften sie jeweils verfügen entstehen durch eine Vielzahl von biochemischen Reaktionen positiv oder auch negativ zu bewertende Stoffe.

Das Wissen und das Können der weinrelevanten Mikroorganismen ist damit von grundlegender Bedeutung für den bestmöglichen Güte- und Qualitätstransfer aus den Trauben in die Weine.

Dynamik der Hefepopulationen während der Gärung

Mit den reifen Trauben gelangt eine Vielzahl von Mikroorganismen in den Weinbaubetrieb, die durch die Kelterung von den Trauben gewaschen werden. Diverse Arten/Spezies von Hefen, Bakterien und Schimmelpilzen, letztere vor allem bei Fäulnis-belastetem Lesegut, sind im Most zu finden. Durch die dort herrschenden Bedingungen wie Säuregehalt, tiefer pH-Wert, wenig Sauerstoff sowie in der Regel schweflige Säure aufgrund deren Zusatz zu Maische und/oder Most erfolgt eine signifikante Einschränkung der weiteren Vermehrung dieser Mikroorganismen. Bereits nach wenigen Stunden beginnt sich das Spektrum der noch lebenden Zellen auf einige Hefearten (Gruppe der Nicht-Saccharomyces-Hefen und Gruppe der Saccharomyces-Hefen) sowie Milchsäurebakterien und Essigsäurebakterien zu reduzieren. Mit weiter abnehmenden Sauerstoffgehalt sowie allmählicher Zunahme von Alkohol (Ethanol) erfolgt automatisch eine Selektion hinsichtlich der deutlichen Vermehrung von Saccharomyces-Hefen (umgangssprachlich "echte Weinhefe"), welche zu Beginn der Gärung nur zu einem sehr geringen Anteil (1-3 % der Hefepopulation) vorhanden sind. Jedoch treten durch die vielfältigen Einflüsse eines Jahrgangs Veränderungen in der Populationsdynamik im Weinberg auf.

Einfluss von Hefen und Bakterien auf das Weinbukett

Die Umwandlung von Traubenmost in Wein erfolgt durch die alkoholische Gärung mit den quantitativen Hauptprodukten Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid. Saccharomyces-Hefen, in der Regel der Spezies Saccharomyces cerevisiae, sind innerhalb der Hefepopulation nahezu die einzigen, welche in der Lage sind, Weine mit Alkoholgehalten bis zu 15 Volumenprozent zu produzieren. Eine Vielzahl von Hefen, insbesondere die Gruppe der Nicht-Saccharomyces-Hefen, wird mit steigenden Alkoholgehalten ab fünf Volumenprozent an einer weiteren Vermehrung gehemmt, jedoch können diese zuvor aufgrund der Synthese von verschiedensten aromaaktiven Substanzen positiv wie auch negativ Einfluss auf die spätere Weinqualität nehmen. Aber auch die Saccharomyces-Hefen unterteilen sich in eine Vielzahl von Stämmen, welche wie die Nicht-Saccharomyces-Hefen ebenfalls positive oder negative geruchliche und geschmackliche Substanzen bilden.

Zusätzlich können Essigsäurebakterien, solange Sauerstoff vorhanden ist, Essigsäure bilden und damit ebenfalls sensorisch negativ wirken. Milchsäurebakterien vermehren sich in der Regel langsam in einem gärenden Most, jedoch können auch sie, beispielsweise bei einer schleppenden Gärung, ebenfalls Qualitätseinbußen bewirken.

Von großer Bedeutung ist auch die Fähigkeit verschiedener Hefen, nichtflüchtige Aromastoffe, welche von den Reben gebildet werden, durch enzymatische Reaktionen freizusetzen und damit den Sortentyp eines Weines zu verstärken.

Gärungs-Management

Eine kontinuierlich laufende alkoholische Gärung bedeutet noch keine Garantie, dass auch ein qualitativ und sensorisch ansprechender Wein entsteht. Zu groß sind die Risiken, dass sowohl Nicht-Saccharomyces-Hefen als auch Saccharomyces-Hefen geruchlich und geschmacklich unerwünschte Stoffe bilden (siehe "Einfluss von Hefen und Bakterien auf das Weinbukett"). Selbstverständlich können durch eine Spontangärung, also durch die zufällige Anwesenheit und Zusammensetzung der Mikroorganismenflora in einem Most, excellente Weine entstehen, jedoch sieht die Wirklichkeit meistens so aus, dass mittelmäßige bis schlechte, teilweise nicht vermarktungsfähige Weine produziert werden. Diese und andere Risiken gilt es durch ein angepasstes Gärungs-Management mindestens zu mindern oder komplett zu vermeiden.

Grundsätzlich sollte durch eine alkoholische Gärung nicht nur die Metabolisierung des Mostzuckers erfolgen, sondern auch positive Auswirkungen auf das spätere Weinbukett erzielt werden. So kann durch die Nutzung von selektierten Reinzuchthefen, welche aus gut gelaufenen Spontangärungen isoliert wurden, ein ansprechendes Gärbukett erzeugt sowie typische Aromastoffe aus den Trauben freigesetzt werden, welche zuvor als nichtflüchtige Vorstufen vorhanden waren.

Alkoholreduzierte Weine

Durch den Klimawandel und dem damit verbundenen stetigen Anstieg der Jahresmitteltemperaturen kam und kommt es immer häufiger zu Weinjahrgängen, die bei Traubenreife einen sehr hohen Mostzuckergehalt aufweisen, welcher nicht nur zu hohen Alkoholgehalten führt, sondern vor allem bei Weißweinen zu einer Abschwächung des Sortenbuketts und kratzigen Geschmacksnoten im Gaumen führt. Hinzu kommt der zunehmende Trend, dass Konsumenten immer mehr nach Weißweinen mit niedrigeren Alkoholgehalten suchen.

Momentan erlaubt das EU-Weinrecht nur physikalische Methoden, Weine mit zu hohen Alkoholgehalten auf traditionelle Werte zwischen 11,5 und 12,5 Volumenprozent zu senken. Weltweit arbeiten jedoch Forscher an mikrobiologischen und biochemischen Verfahren, um auf natürlichem Weg ebenfalls alkoholreduzierte Weine zu erzeugen. Allen Verfahren ist gemein, dass Sauerstoff benötigt wird, was wiederum zur Folge hat, dass die so entstehenden Weine sich deutlich oxidativer präsentieren als traditionell reduktiv hergestellte Weine. Ob sich dies als Nachteil erweist oder ob auf diese neue Art und Weise unter Umständen neue Weinstile entstehen, bleibt eine spannende Frage.