Wirkungsforschung

Wirkungsforschung

Forschungsansatz

Forschungsprojekt

DFG-Netzwerk

 

Forschungsansatz

Städtische Freiräume haben eine große Alltagsbedeutung. Die entwurflichen Entscheidungen von Landschaftsarchitekt:innen wirken sich auf das Lebensumfeld sehr vieler Menschen aus. Mit Steuergeldern finanziert gestalten wir öffentliche Räume im Auftrag der öffentlichen Hand. Trotzdem findet in der Regel keinerlei Erfolgskontrolle statt: Wie bewährt sich eine Freiraumgestaltung? Was leistet sie? Welche Fehler wurden vielleicht gemacht und sollten an anderen Orten nicht wiederholt werden?

Hier setzt die empirische Wirkungsforschung an. Sie fragt nach dem Verhältnis zwischen dem Entwurfsversprechen und der gebauten Realität – dem, was nach Jahren des Gebrauchs im Alltag der Nutzer:innen von Bedeutung ist. Ziel ist das kollektive Lernen aus realisierten Projekten.

Wirkungsforschung existiert bereits in vielen angewandten Disziplinen und gesellschaftlichen Feldern, etwa der Politik, Wirtschaft, Sozialen Arbeit und Pädagogik. Konzeptionalisiert für die Landschaftsarchitektur begreift sie sich als kritische Entwurfsforschung. In der Tradition freiraumsoziologischer Studien ist sie an übergeordneten Prinzipien interessiert, die Freiräume im Alltag erfolgreich machen und über den Einzelfall hinausweisen.

Um ein umfassendes Verständnis von einem Projekt zu gewinnen, setzt die Wirkungsforschung verschiedene Narrative – Erzählungen über einen Freiraum – zueinander in Beziehung: die Planungsziele (Wettbewerbsausschreibung), das Entwurfsversprechen (Entwurfserläuterung, Publikationen des Büros), die Entwurfsaffirmation durch die Fachcommunity (Jury-Protokoll), die Wahrnehmung und Nutzung des Freiraums in einem Zeithorizont von mehreren Jahren nach Eröffnung, Erfahrungen aus der Pflege und Unterhaltung (Grünflächenamt) sowie die mediale Rezeption. Erhoben werden diese Perspektiven mit Methoden der empirischen Sozialforschung.

 

Zugehörige Publikation:

Constanze A. Petrow (2018): Vom Entwurfsversprechen zum städtischen Freiraum als Alltagsort. Konzept für eine empirische Wirkungsforschung in der Landschaftsarchitektur. In: Ammon, Sabine; Baumberger, Christoph; Neubert, Christine; Petrow, Constanze A. (Hrsg.): Architektur im Gebrauch. TU Berlin, depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/6511/3/architektur_im_gebrauch.pdf, S. 214-231

 

 

Forschungsprojekt

Wirkungsforschung. Erprobung einer Methodik zur Evaluierung städtischer Freiraumgestaltungen

 

Projektanfang: 08/2017

Projektende: 07/2020

Förderer: Interne Forschungsförderung Hochschule Geisenheim

Beteiligte: Prof. Dr. Constanze A. Petrow, Prof. Dr. Grit Hottenträger, B.Eng. Karla Kraus, B.Eng. Linda Wilhelm, B.Eng. Anastasiya Christ

 

Im Sinne des oben genannten Ansatzes wurde in diesem Forschungsprojekt eine geeignete Methodik für Wirkungsforschung in der Landschaftsarchitektur erprobt. Untersucht wurden dazu drei Quartiersfreiräume: 2017 der Oerliker Park in Zürich sowie 2018 der Arnulfpark und Bahndeckel in München. Im Falle des Oerliker Parks handelt es sich um eine Ikone der europäischen Landschaftsarchitektur der Jahrtausendwende.

Neben den methodischen Erfahrungen war die Kernerkenntnis folgende: Es gibt eine Art eigenen Entwurfsmaßstab, dessen sorgsame Behandlung darüber entscheidet, ob ein Quartiersfreiraum alltagstauglich ist und gut genutzt wird. Man kann ihn als Social Scale bezeichnen. Seine Bearbeitung ist zwischen Konzept und Detail angesiedelt. Die Arbeit in diesem Maßstab umfasst die genauen Abwägungen über räumliche Dimensionen, Distanzen, Positionierungen und Ausstattungen. Ergänzend zum Human Scale (Jan Gehl), der sich auf das Verhältnis zwischen Städtebau und den psychologischen Bedürfnissen von Menschen bezieht, beschreibt der Social Scale freiraumbezogene Qualitäten, die leistungsfähige Sozialräume entstehen lassen. Als eigener Entwurfsmaßstab lässt er sich begreifen, weil er sowohl eine räumliche Dimension hat als auch sorgfältig entworfen werden muss, damit sich in einem Freiraum ein reiches Leben entfaltet.

Wenn man intensiv in den Alltag eines städtischen Freiraums eintaucht, sich lange am Stück dort aufhält und sich mit den zum Teil sehr emotionalen Äußerungen der Nutzer:innen konfrontiert, dann wird deutlich, wie sehr jede einzelne entwurfliche Entscheidung im Alltag der Menschen zählt. Nahezu alle Ausstattungs- und Materialentscheidungen haben Auswirkungen auf die Nutzungsintensität und Beliebtheit eines Freiraums. Als besonders wirkmächtig erwiesen sich

  • die Programmierung,
  • die räumliche Dimensionierung,
  • Beziehungen zwischen Ausstattung und Vegetation,
  • die Materialität, insbesondere Flächenbeläge,
  • der Komfort,
  • die Sinnhaftigkeit von Ausstattungselementen.

Intensive Alltagsnutzung ist somit eine bewusst zu entwerfende Qualität. Sie setzt Interesse an derNutzerperspektive voraus – dafür, was es bedeutet, einen Freiraum häufig zu besuchen, sich dort wohlzufühlen und genügend Dinge vorzufinden, die man tun und erleben kann.

 

Zugehörige Publikation:

Constanze A. Petrow (2022): Social Scale. Entwerfen zwischen Konzept und Detail. Stadt+Grün Heft 2, S. 23-28

 

DFG-Netzwerk

Wirkungsforschung in Architektur und Städtebau: Interdisziplinäre Theorien und Methoden (WAS)

Projektanfang: 2022

Projektende: 2025

Förderer: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Lead: Prof. Dr. Nina Gribat, BTU Cottbus-Senftenberg

 

Das Netzwerk “Wirkungsforschung in Architektur und Städtebau: Interdisziplinäre Theorien und Methoden” leistet Definitionsarbeit am Konzept der Wirkungen von gebauter Umwelt. Es bündelt disziplinär verstreutes Wissen, das sich jeweils auf bestimmte Wirkungsfelder fokussiert: auf die bewussten und unbewussten Wahrnehmungen gebauter Umwelt, auf individuelle oder kollektive Verhaltens- und Nutzungsmuster sowie auf die Effekte, die Architektur, Städtebau und Landschaftsarchitektur entfalten. Das Netzwerk grenzt sein Arbeitsinteresse damit von den deutlich mehr beforschten entwurflichen Intentionen von Architekt:innen und Landschaftsarchitekt:innen ab. Innerhalb von drei Jahren sollen unterschiedliche Wirkungsverständnisse in einem integrierten Konzept zusammengeführt werden.

 

Arnulfpark München; Bildquelle: Prof. Dr. Constanze A. Petrow
Bahndeckel München; Bildquelle: Prof. Dr. Constanze A. Petrow
Oerliker Park Zuerich; Bildquelle: Prof. Dr. Constanze A. Petrow