Der Auftakt der Exkursion führte die Studierenden und Dozierenden in die Zuckerfabrik der Südzucker AG in Offenau. Während der Kampagne von September bis Januar werden pro Tag mehrere Tausend Tonnen Zuckerrüben angeliefert und zu Dicksaft sowie Zucker verarbeitet. Dazu arbeitet die Fabrik ohne Unterbrechung im 24-Stunden-Betrieb. In der Regel dauert die Kampagne rund 120 Tage. Live durften wir von der Anlieferung der Rüben – etwa 600 LKWs trudeln pro Tag ein! – bis hin zur Kristallisation fast alles miterleben; wenn natürlich auch nur mit einem gewissen Sicherheitsabstand. Südzucker verwertet in der Regel die gesamte Zuckerrübe, sei es für das Endprodukt „Zucker“, in Form von Melasse für die Lebensmittel- oder die Pharmaindustrie. Die gepressten Rübenschnitzel werden zur Viehfütterung eingesetzt. Selbst die von den Rüben abgewaschene Erde wird aufbereitet. Von Offenau ging es dann direkt weiter nach Zürich in der Schweiz, wo wir trotz erster Einparkschwierigkeiten mit unserm „XXL Bus“ heil, aber auch ein wenig erschöpft nach der langen Anreise ankamen.
Am zweiten Tag folgten wir der Einladung der Bell Food Group, die uns zu einer abwechslungsreichen Kennenlerntour durch ihre Unternehmensgruppe in der Schweiz einlud. Mit den Marken Bell, Eisberg, Hilcona und Hügli bietet die Bell Food Group ein breitgefächertes Produktportfolio an. Wir trafen Harry Bechler, Leiter des Corporate HR der Bell Food Group, zunächst bei der Eisberg AG in Dällikon. Er war Organisator der Tour und unser direkter Ansprechpartner vor Ort für die noch folgenden gemeinsamen anderthalb Tage. Die Eisberg-Gruppe ging aus zwei Schweizer Gemüsebaubetrieben hervor und steht für frische Convenience-Salate, -Gemüse und -Früchte. Während einer kurzweiligen Führung wurden uns die Produktion und Logistik, aber auch das Personalmanagement des Unternehmens nähergebracht. Der Betrieb zeichnet sich unter anderem auch dadurch aus, dass viele Arbeitsschritte manuell erledigt werden, wie beispielsweise die Verarbeitung von Kopfsalat.
Von der Eisberg AG fuhren wir weiter zur Coop-Verteilzentrale in Schafisheim. Coop ist einer der beiden großen Einzelhändler der Schweiz. Die Verteilzentrale in Schafisheim beliefert die gesamte Nord- und Zentralschweiz und wurde erst vor wenigen Jahren neu gebaut. Dementsprechend modern sind die Logistikprozesse: Der interne Warentransport findet ausschließlich automatisiert statt, überall sausen, schweben oder stehen Kisten mit den verschiedensten Supermarktprodukten auf dem Weg in die Kühlung oder an die Verladerampe. Auch beeindruckend: der integrierte Bahnhof; denn in der Schweiz können dank des hervorragenden Bahnsystems Lebensmittel auch umweltfreundlich auf der Schiene transportiert werden.
In Form eines Workshops zur Wurstherstellung durften wir am Abend unserer Kreativität und unserem handwerklichen Geschick am pittoresken Thunersee freien Lauf lassen. Der Workshop fand im Ausbildungszentrum der Schweizer Fleischwirtschaft in Spiez statt. Mit getrockneten Tomaten und Backpflaumen, frischen Kräutern, Käse, bis hin zu Martini standen eine Vielzahl an möglichen Zutaten bereit. So entstanden die verschiedensten Variationen an Brät, die anschließend noch in Naturdärme gefüllt werden mussten. Wir ließen den Abend mit selbstgemachten Bratwürsten, Salat, Wein und Bier gemütlich im ABZ Spiez Seaside ausklingen. Auch die Übernachtung im ABZ Seaside wurde dankenswerterweise von Bell Food Group Schweiz finanziert.
Am dritten Tag starteten wir gemeinsam zum Betrieb Geflügel Zell, einem Schlachthof der Bell AG. Alle Teilnehmenden durften, wenn Sie wollten, den gesamten Prozess von der Anlieferung der Tiere, über die Schlachtung und Verarbeitung hautnah miterleben; natürlich eingekleidet in voller Hygiene-Schutzkleidung. Am Standort werden pro Stunde rund 10.000 Hähnchen geschlachtet und innerhalb kürzester Zeit zerlegt, verpackt und anschließend an den Lebensmitteleinzelhandel ausgeliefert. Nach Geflügel Zell verabschiedeten wir uns von Harry Bechler und dem Bell Food Team, das uns exzellent geführt und umsorgt hatte.
Der Rückweg nach Deutschland führte über die nur gut vier Quadratkilometer große Insel Reichenau im Bodensee, wo sich Gemüsebau, Weltkulturerbe und Tourismus begegnen. Die dortige Erzeugergenossenschaft vermarktet vor allem regional die Erzeugnisse der etwa 60 zumeist kleinen Gartenbauunternehmen. Unser Zwischenstopp für die Übernachtung führte uns nach Ravensburg, dort verbrachten wir einen gemütlichen Abend in der Altstadt.
Am nächsten Morgen ging es weiter ins schwäbische Dorf Aretsried, um die Molkerei Müller zu besichtigen. Hautnah durften wir die Produktion von Fruchtjoghurts und Milchreis erleben und diese auch direkt vom Fließband verköstigen. Im Anschluss wurden uns im Labor die mikrobiologischen Verfahren vorgestellt, mit welchen beispielsweise die angelieferte Rohmilch oder die Fertigerzeugnisse überprüft werden. Vor Ort ist ebenso die Tochtergesellschaft Optipack angesiedelt, welche PS und PP Becher sowie PET-Preforms fertigt. Ein berühmtes Beispiel ist der Joghurt mit der Ecke, welcher dort produziert wird. Nach den eindrucksvollen Stunden bei Müller fuhren wir weiter nach Augsburg. Nach einem kurzen Rundgang durch die Fuggerstadt ließen wir den letzten Abend gemeinsam in der Kälberhalle bei einer Brauereiführung bei Hasen-Bräu, deren Ursprünge bis 1464 zurückreichen, ausklingen.
Der letzte Exkursionstag startete in der Früh bei Edeka Südbayern in Landsberg am Lech. Dort betreibt Edeka einen von vier zentralen Logistikstandorten der Handelsregion inklusive einem modernen, vollautomatisierten Hochregallager. Dieses verfügt über eine Kapazität von mehr als 44.000 Palettenstellplätzen. Mehrere zehntausende Artikel werden täglich in einem irrsinnigen Tempo in den 30 Meter hohen Regalen eingelagert und für die Kommissionierung bedarfsgerecht bereitgestellt. Besonders faszinierend war am Ende das automatisierte Packen der Paletten und Rollcontainer für die einzelnen Filialen. Ein Schicht-Algorithmus optimiert die Auslastung der Paletten, was uns an das Spiel Tetris erinnerte.
Den letzten Stopp legten wir bei Kuka in Augsburg ein – einer der weltweit führenden Anbieter von intelligenten Automatisierungslösungen. Uns wurde ein spannendes Projekt zur Automatisierung von Logistikschritten in Einzelhandelsfilialen vorgestellt. Die beteiligten Entwickler zeigten uns den aktuellen Stand eines Robotik-System zum Befüllen von Regalen und erklärten uns die Komplexität: Wie erkennt ein Roboter welches Produkt nachgefüllt werden muss? Wie sollen die Produkte gegriffen werden, ohne sie zu beschädigen? Ziel ist es, die Waren über Nacht durch Robotik-Lösungen ohne Personaleinsatz zu verräumen. Beeindruckt von möglichen Logistiklösungen der Zukunft traten wir die Heimreise nach Geisenheim an.
In den fünf Tagen konnten die Studierenden einen Blick hinter die Kulissen verschiedenster Branchen werfen und ihr erlerntes Wissen aus dem Studium mit der Praxis verknüpfen.
Ein Beitrag der Studiengangsbetreuung Lebensmittellogistik und -management