Laudatio: Prof. Dr. Otamr Löhnertz
Lieber Randolf,
in der Zeitschrift Vinum heißt es bei der Beschreibung der 25 Weinpersönlichkeiten des Jahres 2021 folgendermaßen:
„ … Er hat die einzige Professur für ökologischen Weinbau in Deutschland inne: Prof. Dr. Randolf Kauer.
Neben seiner Tätigkeit in Geisenheim leitet er mit seiner Tochter Anne auch noch ein Spitzenweingut in Bacharach.
Kauer ist pragmatisch und undogmatisch, dazu ein ruhiger, kluger Mann – und damit der beste Botschafter, den sich der Öko-Weinbau wünschen kann.
Kauer prägte und prägt den ökologischen Weinbau, und das weltweit“.
Damit ist eigentlich schon genug gesagt über Deine Eignung und Deine Verdienste, in diesem Jahr als Preisträger für den Prof. Dr. Müller-Thurgau Preis ausgewählt worden zu sein.
Eigentlich genug gesagt, aber bei weitem noch nicht alles gesagt.
Den Preis gibt es natürlich für die Verdienste um den Standort Geisenheim, nicht für die Produktion von Riesling im Steilhang, auch wenn Du im Falstaff schreibst »Steinige Steilhänge, mineralische Weine und selbstverständlich Bio – das ist unsere Leidenschaft!«
Dein Weg in Geisenheim begann 1982 mit dem Studium „Weinbau und Oenologie“ an der Fachhochschule Wiesbaden, mit dem Abschluss im Jahr 1985. Also hatten wir den ersten Kontakt 1984 im Praktikum Bodenkunde und Pflanzenernährung in Geisenheim. Die Fachhochschule Wiesbaden heißt inzwischen Hochschule RheinMain und der Studiengang „Weinbau und Oenologie“ wird an der Hochschule Geisenheim angeboten.
Vor dem Studium hast Du Praktika an der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Bad Kreuznach sowie in den Weingütern Fritz Bastian und Toni Jost in Bacharach absolviert. 1982 erfolgte auch die Gründung des eigenen Weingutes. Nach der Schule in Bacharach und dem Gymnasium in Bingen folgte aber zunächst der Zivildienst.
Der Abschluss als Diplom-Ingenieur mit der Diplomarbeit bei Prof. Steinberg und Dr. Bettner über das „Aufwuchsverhalten verschiedener Begrünungspflanzen in einer Seilzuglage im Weinbaugebiet Mittelrhein“ hatte Deinen Wissensdurst offensichtlich nicht gestillt – es zog Dich 1985 zum Aufbaustudiengang an die Uni Gießen. Dieser Aufbaustudiengang wurde von der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Forschungsanstalt Geisenheim seit 1982 betrieben. Das bedeutete: ein Jahr in Gießen, weit weg vom geliebten Mittelrhein, und ein Jahr in Geisenheim. Nach dem Abschluss ging es zielgerichtet in den ökologischen Weinbau mit einem Promotionsvorhaben bei Prof. Kiefer und Prof. Schmutterer. Im April 1993 wurde die Dissertation in der Agrarwissenschaft mit dem Titel "Vergleichende Untersuchungen zum integrierten und ökologischen Weinbau in den ersten drei Jahren der Umstellung – Ergebnisse von 12 Standorten im Anbaugebiet Rheinhessen bei den Rebsorten Müller-Thurgau und Riesling“ vorgelegt.
Ein Jahr warst Du danach als Wissenschaftler im Institut für Weinbau tätig.
Dieses einjährige Intermezzo an der Forschungsanstalt als Wissenschaftlicher Mitarbeiter war offensichtlich mit sehr vielen Unwägbarkeiten verbunden, auch wenn es damals noch kein Zeitvertragsgesetz für Wissenschaftler wie in der heutigen Form gab. Aber da Du seit einiger Zeit verheiratet warst, zog es Dich ins Referendariat in Rheinland-Pfalz. Das Referendariat für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen und den höheren Beratungsdienst an der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau, an die Berufsbildende Schule nach Neustadt. Ja, nach Neustadt.
Schon vor dem formellen Abschluss als Assessor der Landwirtschaft hattest Du im Dezember 1995 eine Vertretungsprofessur für Botanik und Ökologie im Fachbereich Weinbau und Oenologie der Fachhochschule Wiesbaden (jetzt – wie bereits gesagt – Hochschule RheinMain) übernommen. Die Übernahme dieser Vertretungsprofessur war recht kompliziert. Im November 1995 wurde diese Übernahme noch vom Ministerium abgelehnt, die Situation bedauert, im Dezember war es dann geregelt und so warst Du ab 01.01.1996 wieder Mitarbeiter der Fachhochschule.
Seit 2003 die Professur für ökologischen Weinbau im Fachbereich Weinbau und Oenologie der Fachhochschule Wiesbaden (Hochschule RheinMain), der einzigen Professur mit dieser Ausrichtung weltweit. Diese Professur wurde mit Hilfe von Prof. Klockner, dem Präsidenten der Fachhochschule möglich gemacht. Die Stelle hattest Du bis zu Deinem Ausscheiden inne.
Während der ganzen Zeit hast Du Dich in der Lehre intensiv um die botanischen Grundlagen, später immer mehr und immer tiefer um die Grundlagen, aber insbesondere auch um die Anwendung, die Machbarkeit des ökologischen Weinbaus bemüht. „Bemüht“ heißt in diesem Kontext: erfolgreich und nachhaltig Kenntnisse und Handlungsanweisungen im genannten Wissensfeld an Generationen von Studierenden vermittelt. Deine Expertise auf dem Gebiet ist unbestritten, für Deine Nachfolgerin hinterlässt Du große Schuhe.
Deine Tafelbilder zu erreichen, Dein Verbrauch an Kreide –auch an bunter Kreide – wird nicht zu schaffen sein. Mit Prof. Schultz hast Du das Weinbau-Projekt entwickelt, legendär sind Deine mahnenden Worte in Bezug auf die Peronospora und die damit verbundene Auslobung eines Liters Riesling-Wein vom Weingut Kauer für den ersten entdeckten Ölfleck.
Auch die Betreuung von 136 Diplom- oder Bachelor-Arbeiten als erster oder zweiter Betreuer sprechen Bände. Die „Optimierung der ökologischen Bewirtschaftung in einem Weingut auf Mallorca“ war 2023 die letzte Arbeit, die Du betreut hast, sie steht zumindest als letzte Thesis in der Datenbank. Bei Deiner Heimatliebe ist das aber kaum ein Fingerzeig für Deine Zukunft – oder vielleicht doch?
Neben Deiner vorbildlichen Lehrtätigkeit hast Du Dich in all den Jahren außerdem sehr für den Standort, für das Studium, für die Studierenden engagiert.
Seit 1996 bis zu Deinem Ausscheiden warst Du Mitglied im LuSt-Ausschuss, dem Lehr- und Studienausschuss des Fachbereichs bzw. der Hochschule. Also sozusagen immer. Du warst lange Mitglied im Fachbereichsrat und Studiengangsleiter für „Weinbau und Oenologie“ von 2002 bis 2013, von 2005 bis 2013 Studiendekan des Fachbereichs Geisenheim, dazu von 2007 bis 2013 Mitglied im Senat in Wiesbaden.
Ganz besonders möchte ich aber Deine Arbeit im Prüfungswesen erwähnen und würdigen. Eine wenig spektakuläre Arbeit, extrem wichtige Arbeit im Hintergrund. Seit 2002 warst Du Vorsitzender des Prüfungsausschusses Weinbau, ab der Hochschulgründung dann zehn Jahre Leiter der Geschäftsstelle Prüfungswesen, also zuständig für alle Prüfungen an der Hochschule mit bis zu 1.800 Studierenden.
Daneben hast Du Dich sehr engagiert eingebracht in Arbeitsgruppen, sowohl in permanenten – wie z.B. dem Ausschuss zur Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität der Lehre – als auch in temporären Ausschüssen, die insbesondere nach der Hochschulgründung erforderlich wurden. Seit Gründung der Hochschule warst Du auch stellvertretender Vizepräsident Lehre.
Besonders zu erwähnen sind Deine intensiven Beratungsgespräche, ob vor dem Studium, während des Studiums oder vor anstehenden Viertversuchen. Das alles lange Zeit in einem Büro mit IKEA-Möbeln bis zum Umzug ins Büro von Emil Rückert, aber immer mit einem Vorrat an Süßigkeiten im Schreibtisch, für alle Notfälle bei diesen Gesprächen. Dein bemerkenswertes Personengedächtnis für die Studierenden ist ebenfalls einzigartig. Dein „Büro“ mit Lebensbaum, Todholz, Erdloch als Kühlschrank und einer Pergola hast Du dann im Fuchsberg eingerichtet.
Allein für Deinen Einsatz in der Organisation der Lehre hättest Du diesen Preis verdient. Dabei ist das eine Tätigkeit, die selten gesehen wird, die eine sehr intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen, aber auch mit den Studierenden erfordert. Hierbei war ganz viel Fingerspitzengefühl in beide Richtungen erforderlich: bei der Umsetzung von Prüfungsordnungen, bei der Gewährung von Zusatzversuchen, wenn die Prüfung nicht geklappt hat, aber auch, wenn Du einen letzten Versuch abgelehnt hattest, der deiner Meinung nach nicht gerechtfertigt sei. Ich habe Deine Arbeit und Dein Verhalten ja über viele Jahre teilweise sehr hautnah erlebt. Dass Du diese Tätigkeit sehr gut und erfolgreich ausgeübt hast, zeigten immer wieder die Wahlergebnisse zu Gremien am Fachbereich oder an der Hochschule. Randolf Kauer hatte regelmäßig die meisten Stimmen.
Das war die eine Seite, die es hier zu würdigen gilt; die andere Seite betrifft Deine Forschungsaktivitäten. Du hast den ersten vernünftigen, wissenschaftlich korrekten Versuch im Bereich des biologisch-organischen und biologisch-dynamischen Weinbaus in Geisenheim etabliert. Auch wenn Du vorher schon am Projekt Mariannenaue beteiligt warst. Es ging nicht mehr um das „Gefühl“ bei der ökologischen Produktion, es ging um nachvollziehbare und reproduzierbare Ergebnisse. Im etablierten Systemvergleich INBIODYN wurden die Langzeiteffekte integrierter, biologisch-organischer und biologisch-dynamischer Bewirtschaftung erfasst, die im Hinblick auf eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels relevant sind. Diese Versuchsanlage ist aus meiner Sicht nach wie vor beispielhaft in der Forschung zum ökologischen Weinbau. Viele Diplom- und Bachelorarbeiten aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen wurden in diesem Versuchsweinberg durchgeführt. Damit hat diese Anlage auch die institutsübergreifende Zusammenarbeit in besonderem Maße befördert und beflügelt. Daraus haben sich viele erfolgreiche Forschungskooperationen zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Instituten und auch über Geisenheim hinaus entwickelt, die Du initiiert hast oder an denen Du beteiligt warst.
„Gesunde Reben im Ökoweinbau, gemeinsam gegen den Falschen Mehltau“ – das VITIFIT-Projekt der Hochschule Geisenheim in Zusammenarbeit mit einer großen Zahl an wissenschaftlichen Einrichtungen, Öko-Verbänden, Öko-Weingütern sowie kleinen/mittleren Betrieben möchte ich nicht unerwähnt lassen. Das 2019 gestartete Verbundvorhaben „Gesunde Reben (Vitis vinifera) im Ökoweinbau durch Forschung, Innovation und Transfer“ ist das größte Praxisforschungsprojekt zur Kupferreduzierung im Ökoweinbau. In der ganzen Zeit warst Du stellvertretender Koordinator des Projektes, hast Dich also bis zum Schluss Deiner Tätigkeit in Geisenheim mit der Reduzierung von Kupferanwendungen im ökologischen Weinbau befasst. Über Deinen Ruhestand hinaus bist Du im Wissenschaftlichen Beirat tätig und engagierst Dich u.a. für die Wiederzulassung von Kaliumphosphonat für den ökologischen Weinbau.
In der Publikationsliste kam ich auf über 70 Artikel von Dir bzw. Beiträgen, an denen Du beteiligt warst.
In Ruhe erklären, gegebenenfalls nochmal wiederholen, Gelassenheit in hektischen Zeiten und Debatten, Präzision, ein Blick für das gesamte Studium, über das eigene Fach hinaus, dazu pragmatisch und undogmatisch, so wirst Du beschrieben, so würde auch ich Dich beschreiben.
Der dritte Teil wäre Deine Arbeit zu Hause im Weinberg, am Mittelrhein, Deiner Heimat, der Du sehr verbunden bist und auch immer bleiben wirst. Die Lochsteine in Deinem Betrieb, interessante Namen für Deine Weine wie Tornado, Schieferkraft oder „von Herzen“ zeigen, wie Du Dich mit dem Betrieb, dem Weinbau, der Region identifizierst. Auszeichnungen für Deine Weine hast Du etliche bekommen, die sind daher nicht Inhalt dieser Preisverleihung.
Zum Prof. Müller-Thurgau-Preis:
Aus Anlass ihres 75-jährigen Bestehens im Jahre 1969 gedenkt die VEG dieses Mannes in einer Zeit, in der sie mit Sorge die Bestrebung sieht, welche die Fortführung und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre in Geisenheim in Frage stellen und somit die "Geisenheimer Tradition" gefährden.
Der Botaniker, Biologe, Phytopathologe, Züchter und Lehrer Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Müller-Thurgau (1850 – 1927) war erster Leiter der pflanzenphysiologischen Versuchsstation in Geisenheim. Er hat in dieser Zeit und während seiner späteren Tätigkeit als Gründer und Leiter der Eidgenössischen Versuchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Wädenswil (Schweiz) menschliche Impulse gegeben und wissenschaftliche Leistungen vollbracht, die weit über seine Zeit hinauszeichnen. Im nächsten Jahr werden wir seinen 175. Geburtstag feiern.
Den Professor Müller-Thurgau Preis verleihen die Preisgeber seit den 1970er Jahren an Persönlichkeiten, die sich um den Erhalt und die Förderung von Forschung und Lehre sowie um die Belange der Studierenden an der Hochschule Geisenheim und ihrer Vorgängerinstitutionen außerordentlich verdient gemacht haben.
Lieber Randolf, die heutige Würdigung habe ich sehr gerne übernommen!
Es war für mich ein Leichtes, Deine Zuverlässigkeit in Geisenheim, Deine oft weitblickende Art, Deinen ruhigen, oft aber auch sehr standhaften – natürlich nicht sturen – Charakter, den ich immer als bemerkenswert und wohltuend wahrgenommen habe, im Rahmen dieser Laudatio darzustellen. Die Zustimmung und Bestätigung der Kollegenschaft im Rahmen von Wahlen haben diese Empfindung gleichermaßen zum Ausdruck gebracht.
„Ich sage Euch, wie man es macht, Ihr müsst entscheiden, ob Ihr´s macht“ wirst Du in einem Beitrag der Rheinzeitung zu Deiner Verabschiedung zitiert. Und weiter ist zu lesen: „Es macht Riesenspaß, es gibt keinen schöneren Job als den des Winzers“. Das hast Du auch stets in Geisenheim bei der Arbeit vermittelt – auch in für Dich schweren Zeiten.
„Man darf nur nicht hektisch werden“, so wirst Du beim NABU zitiert, ein „ruhiger und kluger Mann“.
Es war mir immer eine Freude, mit Dir zusammenzuarbeiten, und es hat immer großen Spaß gemacht. Du hast den Preis mehr als verdient!
Herzlichen Glückwunsch!