Die Digitalisierung ist in aller Munde; der Begriff wird aus Sicht einiger Vertreter der Weinbranche heute fast schon überstrapaziert. Doch wie relevant ist die Digitalisierung für die verschiedenen Bereiche der Weinbranche wirklich? Welchen Nutzen kann sie stiften, wo ist ihr Einsatz sinnvoll und kostendeckend? Wie wird die weitere Entwicklung in der Zukunft aussehen und welche Faktoren werden die Digitalisierung beschleunigen oder bremsen?
Ein neues Geisenheimer Modul der Studiengänge International Wine Business (B.Sc.) und Internationale Weinwirtschaft (B.Sc.) beschäftigte sich genau mit diesen aktuellen Fragen. Im Programm des von Prof. Dr. Simone Loose, Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim, initiierten und geleiteten Seminars wurden alle vier Bereiche der Digitalisierung der Weinbranche vorgestellt. Die einzelnen Themen wurden durch Vorträge von Forschern und Praxispartnern sowie in Exkursionen spannend und praxisnah vermittelt.
Prof. Dr. Manfred Stoll vom Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau sowie Prof. Dr. Hans-Peter Schwarz und Dr. Rainer Keicher vom Institut für Technik ermöglichten den Studierenden einen Einblick in den Präzisionsweinbau und die dafür notwendigen technischen Entwicklungen wie Geisi, Drohnen und Präzisionsspitzgeräte. Dr. Matthias Schmitt vom Institut für Oenologie öffnete den Seminarteilnehmern bei einem Rundgang durch die Kellerwirtschaft die Augen für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung bei der präzisen Kontrolle und Steuerung von Prozessen, mit denen auch der Energie- und Wassereinsatz optimiert werden kann.
Johannes Finze und sein Team von Euvino waren extra aus Berlin angereist, um die Digitalisierung von Unternehmensprozessen und die Vereinfachung und Standardisierung des Informationsflusses zu erklären. Die Studierenden waren begeistert von der Idee einer zentralen B2B Datenbank (WIN), über die Winzerinnen und Winzern ihre Daten berechtigen Abnehmern effizient zur Verfügung stellen können. Bei einer Exkursion zu Reh-Kendermann in Bingen gaben Alison Flemming und Tillmann Schütz sehr offene Einblicke in die neuesten digitalen Prozesse in der Produktion und der Vermarktung einer großen Kellerei.
Vorträge zu Social Media Marketing in Deutschland und China durch die Geisenheimerin Katharina Hauck und Prof. Jacques Thébault, Leiter des MBA-Studiengangs Wine and Spirits Business an der Burgundy School of Business, zeigten auf, wie stark kulturelle Unterschiede zwischen diesen beiden Ländern sind und wie groß die Werbeetats sein müssen, um professionell mitspielen zu können. Beim Deutschen Weininstitut (DWI) erlebten die Studierenden die digitale Vermarktung der deutschen Steillagen mit Virtual Reality Brillen und erfuhren von Frank Schulz aus erster Hand mehr zum digitalen Marketing für deutschen Wein durch das DWI.
Markus Bonsels von Bibo und Runge diskutierte mit den Studierenden die Veränderungen der Innovations- und Führungskultur durch Digitalisierung und hieß alle Seminarteilnehmer in seinem einzigartigen Gartenhaus in Hallgarten mit Blick auf den Rhein willkommen. Kai Schätzel holte die Studierenden auf den Boden der Tatsachen der deutschen Weinbranche zurück und zeigte, wie man mit klaren Visionen, einem traditionellen Keller und viel Handarbeit weltweit geschätzte Weine produzieren kann – und wie dieser traditionelle Mix vom wohl dosierten Einsatz von Social Media profitieren kann.
Ein Highlight der Woche war der Vormittag mit dem Geisenheimer Alumnus Johannes Merwald, der für Vivino Deutschland zuständig ist. Mit den Studierenden diskutierte er intensiv die zukünftige Entwicklung von Onlinehandel und E-Commerce von Wein und dafür geeignete Businessmodelle. Die Woche klang bei einer Exkursion zu Balthasar Ress in Hattenheim aus, wo vor allem die internationalen Studierenden von dem einmaligen Konzept der WeinBank begeistert waren.
Das Modul wurde auch von 17 MBA Studierenden des Dijoner Studiengangs „Wine and Spirits Business“ der Burgundy School of Business und drei Lehrkräften – Prof. Jacques Thébault, Prof. Lara Agnoli und Prof. Laurence Cogan-Marie – besucht. Die Hochschule Geisenheim und die Burgundy School of Business kooperieren durch aktiven Studierendenaustausch in den Bereich Weintourismus und Digitalisierung. Dies ermöglicht den Studierenden, ihr internationales Netzwerk schon während des Studiums stark auszubauen.
Die Studierenden haben das Seminar und die erlebnisrieche gemeinsame Woche äußerst positiv bewertet und empfehlen dies kommenden Jahrgängen. Wir möchten uns ganz herzliche bei allen Praxispartnern und Referenten bedanken, ohne die dieses tolle Debüt nicht möglich gewesen wäre.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Simone Loose