In einer interdisziplinären Projektarbeit haben Master-Studierende der Hochschule RheinMain und der Hochschule Geisenheim im vergangenen Jahr ein sogenanntes grau-grün-blaues Modellquartier in der Wiesbadener Innenstadt entworfen. Das Untersuchungsgebiet von Alina Boeva und Lukas Hügle (Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen) sowie Tom Renne (Landschaftsarchitektur) war dabei das Umfeld der Moritzstraße in Wiesbaden-Mitte. Auf eine Einladung des Stadtplanungsamts der Landeshauptstadt hin hatten die Studierenden am vergangenen Freitagabend nun die Gelegenheit, ihr Projekt am Campus Kurt-Schumacher-Ring Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung vorzustellen und den Verantwortlichen so Impulse für ein mögliche Quartiersentwicklungen zu liefern.
Das Potenzial für eine zukunftsfähige Umgestaltung des Stadtgebiets rund um die drei Straßenzüge Oranienstraße, Moritzstraße und Adolfsallee hatten die Studierenden zuvor in einer umfangreichen Bestandsanalyse ermittelt. Dabei wurde deutlich, dass sich das Gebiet zwar durch eine historische Bebauung, eine große Nutzungsvielfalt sowie Alleen auszeichnet, das Straßenbild jedoch von breiten Fahrbahnen, Verkehrslärm und schlechter Luftqualität, parkenden Autos und schmalen Gehwegen dominiert wird. Dies führe zu zahlreichen Problemen, so die Analyse des Projektteams.
So mangele es etwa an geeigneter Infrastruktur für emissionsarme Mobilitätsformen wie den Fuß- und Radverkehr sowie an wohnungsnahen Freiräumen und gemeinschaftlichen Treffpunkten, außerdem fehle es an grüner Infrastruktur zur Überflutungs-, Hitze- und Trockenheitsvorsorge. „Die Herausforderung lag für uns darin, die untersuchten Straßen zu klimagerechten, multifunktionalen Räumen weiterzuentwickeln“, so Lukas Hügle, der mit seinen Mitstudierenden zunächst eine Vision formuliert und anschließend einen möglichen Realisierungsweg aufgezeichnet hat. Die drei fachlichen Disziplinen Verkehrsplanung (graue Infrastruktur), Freiraumplanung (grüne Infrastruktur) und Wasserwirtschaft (blaue Infrastruktur) wurden dabei von Beginn an gleichberechtigt in die Konzeptentwicklung integriert.
In drei Phasen zum neuen Quartier
„Wichtig war uns eine kooperative Umsetzung des Projekts“, betonte Tom Renne. „Denn eine umweltgerechte Mobilität und wohnungsnahe Freiräume sichern zwar die Lebensqualität. Gleichzeitig bedeuten Umbaumaßnahmen Eingriffe in das Wohn- und Arbeitsumfeld vieler Menschen. Nachhaltige Veränderungen leben daher von Gemeinschaft.“ Die Projektentwicklung gliedere sich deshalb in drei Phasen: Phase 1 dient in erster Linie dem Kennenlernen und dem Austausch von Ideen, in Phase 2 werden neue Verkehrsführungen getestet. Gleichzeitig entstehen Räume zum Selbstgestalten. Die Ergebnisse dieser Testphase bilden dann die Grundlage potenzieller Umbauplanungen in Phase 3.
Kernpunkte des Modellquartiers sind schließlich eine generelle Verkehrsberuhigung – ausgerichtet an den Bedürfnissen des Fußverkehrs –, die Schaffung eines durchgängigen Grünraums mit angeschlossenen Plätzen durch die Verbindung von Adolfsallee und Adelheidstraße sowie ein System zur Überflutungs- und Hitzevorsorge.
Transfer und Interdisziplinarität
„Wir freuen uns besonders, dass die tollen Leistungen unserer Studierenden in Verwaltung und Politik wahrgenommen werden“, so Prof. Dr. Volker Blees, der die Arbeit gemeinsam mit seinem Wiesbadener Kollegen Prof. Dr. Ernesto Ruiz Rodriguez sowie Prof. Dr. Jan Dieterle von der Hochschule Geisenheim betreut hat. „Die Transformationsprozesse, die uns in Städten bevorstehen, sind ohne einen solchen Transfer zwischen Hochschulen und Praxis kaum zu bewältigen.“
Prof. Dr. Dieterle ergänzte, dass „eine besondere Leistung der Studierenden darin besteht, in interdisziplinärer Zusammenarbeit eine umfassende Lösung erarbeitet zu haben. Damit zeigt die Arbeit in vorbildlicher Weise, dass unsere vielfältigen Herausforderungen und der entsprechende gesellschaftliche Wandel nur durch Kooperation unterschiedlicher Disziplinen und die Integration vielfältiger Perspektiven gelingen kann“.
Auf die Vorstellung des Konzepts, das im Plenum äußerst positiv aufgenommen wurde, folgte ein intensiver Austausch zu den möglichen Anknüpfungspunkten bei zukünftigen Stadtentwicklungsprozessen.