„Living Walls“ können als naturbasierte Instrumente innerhalb städtischer Strukturen einen Beitrag zur Verringerung der Temperatur und des Wärmeinseleffektes leisten. Auch die Oberflächentemperatur von Gebäudewänden, die Temperatur zwischen Gebäudewand und System („Gap Air“) und die der Umgebungsluft lassen sich so reduzieren. Allerdings gibt es bisher wenige Daten über die thermische Wirkung der lebenden Wände im urbanen Raum. Hier setzt Jonas Wohlgemuth, Masterstudent der Speziellen Pflanzen- und Gartenbauwissenschaften (M.Sc.) an der Hochschule Geisenheim, mit seiner Thesis am Institut für urbanen Gartenbau und Pflanzenverwendung an: Er untersucht die Oberflächentemperatur, die Temperatur im Vegetationsbestand und die „Gap Air“ der „Living Walls“ unter Berücksichtigung verschiedener Standorte und geographischer Ausrichtungen.
Dafür hat er Ende Mai am Rathaus der Hochschulstadt Geisenheim in Nordwest- und Südostausrichtung sowie an drei weiteren Standorten in der Stadt und auf dem Campus – exponiert nach Nordost, West und Ost – modulare Einzeltopf-Systeme installiert und mit Purpurglöckchen (Heuchera), Sonnenhut (Echinacea), zwei Sorten der Süßkartoffel (Ipomea) und der Gefleckten Taubnessel (Lamium maculatum) bepflanzt; insgesamt 96 bis 240 Stauden werden pro Standort verwendet.
Mit dem Verhältnis von Blattfläche zu Wand als Parameter misst Wohlgemuth, welchen Einfluss die geographische Ausrichtung auf die Vegetation der Pflanzen hat. Die Oberflächentemperatur der bepflanzten Systeme wird kontinuierlich von Sensoren aufgezeichnet. Um die thermische Leistung zu charakterisieren, erstellt der Masterstudent wöchentlich und zu verschiedenen Zeitpunkten im Tagesverlauf Wärmebilder der Pflanzen. Neben der Temperatur der Blätter misst er auch ihre stomatäre Leitfähigkeit. Parallel ermittelt er mithilfe von PAR-Sensoren die Strahlungsintensität und, um ein komplettes Bild zu erhalten, die Luftfeuchtigkeit. Zur Kontrolle des Wachstumsverhaltens misst Wohlgemuth während der rund zweimonatigen Projektdauer an sechs Pflanzen pro Art die Wuchshöhe und den Deckungsgrad. Daneben beurteilt er die Vitalität der zufällig ausgewählten Pflanzen.
Eine Nebenrolle spielt in der Untersuchung der benötigte Pflegeaufwand. Die Bewässerung erfolgt über einen großen Wassertank unter dem System. Im Tank befindet sich eine Pumpe, die das Wasser nach oben befördert; über einen quer verlaufenden Schlauch oberhalb des Systems wird es über Drüsen in das System gesprüht. So wird ein geschlossener Wasserkreislauf geschaffen und ein effizienter Umgang mit der Ressource gewährleistet. Über den Tank wird auch die Pflanzenernährung gesteuert: Zusätzlich zur Kontrolle des Füllstandes misst der Geisenheimer Masterstudent deshalb regelmäßig den pH-Wert des Wassers und dessen elektrische Leitfähigkeit, um die ausreichende Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen zu gewährleisten.