Mit über 160 Liter Pro-Kopf-Konsum jährlich ist Kaffee noch vor Wasser sowie weit vor Bier und Wein das am meisten verzehrte Getränk der Deutschen. „Als lösungsorientierte Spezialhochschule für Getränke, Lebensmittel und Genuss wollen wir unseren Studierenden natürlich die besten Voraussetzungen bieten, auch in diesem spannenden Bereich beruflich Fuß zu fassen“, so Prof. Dr. Bernd Lindemann, Professor für Getränketechnologie der Hochschule Geisenheim. Ein Baustein dafür soll ein neues Netzwerk mit regionalen, handwerklichen Kaffeeröstern sein, das die Hochschule im August dieses Jahres initiiert hat.
Im Master-Studiengang Getränketechnologie haben die Studierenden der Hochschule Geisenheim bereits seit 2013 die Möglichkeit, das praxisorientierte Modul „Kaffee, Tee, Kakao“ zu belegen. Die Hochschule hat einen eigenen Trommelröster, die Studierenden erhalten bei Exkursionen regelmäßig Einblick in die Produktion. „Was viele nicht wissen: Die Hochschule Geisenheim hat heute schon 30 Prozent des deutschen Kaffeemarkts mit Personal versorgt“, erzählt Lindemann mit einem Augenzwinkern – denn diesen Anteil deckt ein Discounter allein ab.
Das neue Netzwerk mit kleinen Röstern aus Wiesbaden, Mainz und Rheinhessen will die Hochschule nutzen, um Synergien zu schaffen, etwa im Bereich Einkauf. „Qualität und Beständigkeit, aber auch Transparenz und Nachhaltigkeit sind die wichtigsten Kriterien“, sagt Dr. Esmilda Huancaruna, Geschäftsführerin von Altomayo und Lieferantin der Bohnen für den Geisenheimer Hochschulkaffee. Immer mehr Kunden wollen wissen, woher ihr Kaffee kommt; gerade für kleine Röster ist direct trade aber logistisch nicht machbar. Sebastian Schulz von den Maldaner Coffee Roasters arbeitet deshalb derzeit an einer digitalen Plattform, die es diesen Röstern ermöglichen soll, als Einkaufgemeinschaft direkt mit den Produzenten in Kontakt zu treten. „Man kann auf dem Portal jeden Schritt verfolgen – Ernte, Lagerung, Transport – und kennt dank entsprechender Kontrollen zu jedem Zeitpunkt den Zustand der Bohnen“, erläutert der 28-Jährige, der auf Reisen viele Missstände kennengelernt habe, auch bei Fairtrade-Produkten.
Für das Netzwerk steht neben Nachhaltigkeit und fairer Bezahlung der Kaffeebauern die Qualität der Bohnen im Vordergrund; die Röster wollen „Musik in der Tasse“, wie Matthias Hoppenworth von Craft Coffee Gear einen ganz besonderen Kaffee aus Tansania beschreibt. Norbert Becker von der Mainzer Kaffeemanufaktur ist seit 15 Jahren selbständig. „Mir hat irgendwann kein Kaffee mehr geschmeckt“, sagt er – und hat das Problem selbst in die Hand genommen. Auch Dominic Müller von der Kaffeerösterei Müller, Jens Kaufmann von Kaufmanns Kaffee und Christine Weidmann von der Kaffeemanufaktur Weidmann treibt der hohe Anspruch an Kaffee um. Sie haben genauso wie zwei Geisenheimer Alumni am ersten Netzwerktreffen teilgenommen, um Kontakte zu knüpfen und sich mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Alumnus Eric Steffen hatte bereits seine Master-Arbeit dem Kaffee gewidmet und dann bei Kaufmann in Mainz gearbeitet, Christian Figueras nach seinem Master-Abschluss der Getränketechnologie mit zwei Kollegen in Berlin das Start-up Philosoffee gegründet.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Simone Loos Theisen und Arne Sperl, M. H. Edu., die das Netzwerk in Zukunft begleiten, will Lindemann auch weitere Geisenheimer Studierende für das Thema Kaffee begeistern und sie für eine Arbeit in diesem Sektor qualifizieren. „In Zukunft werden wir deshalb auch verstärkt die Themen Beschaffung, Nachhaltigkeit, aber auch die Vermarktung berücksichtigen – dabei kann uns das neue Netzwerk helfen“, glaubt Lindemann.