„Halbzeit?“ fragt sich der eine oder die andere sicherlich beim Lesen dieses Titels. Ja, die erste von zwei Projektphasen wird in anderthalb Jahren abgeschlossen sein. Welche Themenfelder wurden bisher bearbeitet? Wie ist der aktuelle Stand?
Wenn man sich die Projektstruktur von VITIFIT und das große Konsortium vor Augen führt, könnte man mit historisch anmutenden Worten sagen: hier wurde zusammengebracht, was zusammengehört. Geballte Expertise aus vier weinbautreibenden Bundesländern. Fachmänner und -frauen aus den Bereichen Öko-Weinbau, Rebenzüchtung, Phytomedizin, Getränkeforschung, Weinwirtschaft, Verfahrenstechnik, Kommunikation und Medien sowie berufsständische Vertretungen. Link: www.vitifit.de
Seitens der Hochschule Geisenheim sind fünf Institute in VITIFIT eingebunden. Die Fäden laufen im Institut für Phytomedizin zusammen – schließlich steht Plasmopara viticola, der Erreger des Falschen Mehltaus der Weinrebe, im Zentrum des Vorhabens. Hier erfolgen alle Arbeiten mit dem Schadpilz: im Labor, Gewächshaus und im Weinberg. Außerdem wird das Gesamtvorhaben von hier aus koordiniert. Mit 6,3 Mio. Euro Fördersumme übrigens das finanzstärkste Projekt, welches bisher von Geisenheim aus koordiniert wurde.
Link: www.hs-geisenheim.de/vitifit/
Im Institut für Getränkeforschung wird die Aufnahme, Verlagerung und Depotbildung von Kaliumphosphonat (KP) untersucht. KP verfügte bis zum Jahr 2013 über eine Zulassung zur Anwendung im ökologischen Weinbau. In Jahren mit hohem Befallsdruck durch Plasmopara viticola fehlt den Winzerinnen und Winzern diese wirkungsvolle Substanz sehr. Daher wird eine Wiederzulassung angestrebt, was in VITIFIT wissenschaftlich untermauert werden soll.
Die Bekämpfung des Schadpilzes mit biologischen Substanzen, die mittel- bis langfristig Kupfer ersetzen könnten, wird ebenfalls in diesem Institut untersucht. Dabei wird Rebholz getrocknet und fein vermahlen (Abb. 1). Aus dem Holzpulver werden anschließend die biologischen Substanzen – sogenannte Stilbene – extrahiert. Stilbene sind Pflanzeninhaltsstoffe, die Reben selbst bilden können, um pilzliche Schaderreger abzuwehren. Zukünftig sollen also die eigenen „Waffen“ der Rebe dem Falschen Mehltau den Garaus machen.
Im Institut für Rebenzüchtung wird in verschiedenen Vitis-Wildarten nach unbekannten Resistenzgenen gesucht und neue, pilzwiderstandsfähige Kreuzungen erstellt. Im Rahmen eines Screenings werden deren Resistenzeigenschaften untersucht. Hierfür werden die u.a. Blattunterseiten einzelner Blattscheiben mit den Pilzsporen besprüht. Nach Ablauf der Inkubationszeit wird die Stärke des Pilzrasens erfasst (Abb. 2).
Im Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau werden gemeinsam mit vier Verbundpartnern Strategieversuche durchgeführt. Da an den fünf unterschiedlichen Versuchsstandorten identische Strategien geprüft werden, ist eine gute Vergleichbarkeit gegeben. Aufgrund der extremen Hitze im Sommer 2020 hatte es der Schadpilz, der es feucht und moderat warm liebt, äußerst schwer: Gut für unsere Winzerinnen und Winzer, aber leider schlecht für die Versuchsauswertung in diesem Projektjahr.
Im Institut für Weinwirtschaft werden Verbraucherstudien und -befragungen durchgeführt. Warum kauft der Kunde bzw. die Kundin Wein aus ökologischem Anbau? Kennt der Verbraucher bzw. die Verbraucherin den Unterschied zwischen ökologischem und integriertem Weinbau? Kann er oder sie etwas mit dem Begriff „PIWI“ anfangen? Für diese Studien kommen u.a. moderne neurowissenschaftliche Methoden zum Einsatz, mit denen die Gehirnströme von Probanden während der Kaufentscheidung gemessen werden.
Abschließend sei betont, dass alle Maßnahmen und Strategien aus VITIFIT mittel- bis langfristig auch dem integrierten Weinbau zugutekommen werden. Das Ziel „Gesunderhaltung der Rebe“ gilt für die gesamte Weinwirtschaft, unabhängig von der jeweiligen Bewirtschaftungsform.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Beate Berkelmann-Löhnertz
Projektkoordinatorin