Die Europäische Kommission veranstaltet jährlich einen „EU Agricultural Outlook Spring Workshop“, um mit Branchenexpertinnen und -experten die Trends auf den internationalen Märkten zu diskutieren. Der diesjährige Workshop wurde online abgehalten und für den Sektor Wein gemeinsam von Prof. Dr. Simone Loose, Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim, und Rafael del Rey vom Observatorio Español del Mercado del Vino (OEMV) geleitet.
Nach Meinung der Expertinnen und Experten stehen die Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel, Innovation, Konsumentenverhalten und Veränderung von Ernährungsgewohnheiten bei Agrarprodukten derzeit am meisten im Fokus. Die Vielzahl an Themen, die als relevant eingestuft wurden und zu denen auch Digitalisierung, Verringerung von Pflanzenschutz und ausreichendes Einkommen der Produzenten zählten, zeigt indes, vor welch umfangreichen Herausforderungen die Agrarbranche heute steht.
Speziell für den Weinsektor standen die langfristigen Auswirkungen von Covid-19 auf das globale Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im Vordergrund. Die rückläufige Weinnachfrage innerhalb von Europa wurde in der Vergangenheit durch Exporte kompensiert, die durch Covid-19 aber rückläufig waren. Welche Weine werden in Zukunft nachgefragt? Welche Rolle spielen das Gesundheitsbewusstsein und der Trend zu weniger Alkohol? Gibt es genügend Nachfrage auf dem Markt für das Bestreben der EU, die ökologische Weinproduktion stark auszuweiten? Welche Auswirkungen hat diese auf Ertrag und Kosten? Einige Teilnehmende meldeten direkt Zweifel an, ob die Nachfrage nach ökologischem Wein schnell genug steigen werde.
Daraus abgeleitet diskutierte die Runde weitere Fragestellungen: Welche europäischen Regionen profitieren davon, weil sie klimatisch besser für den ökologischen Weinbau geeignet sind? Was bedeutet das für den deutschen Weinbaustandort? Wie können europäische Weinbauregionen in Zukunft ihren Wasserbedarf für die notwendige Bewässerung decken? Kommt es damit zu einer Verschiebung der Weinproduktion innerhalb der EU? Vor allem spanische Produzenten profitieren nach ihrer Einschätzung vom Zugang zu Grundwasservorkommen in bevölkerungsarmen Gegenden, auch wenn deren Erschließung Kosten verursacht.
Mit Blick auf nachhaltige Produktion stand die Frage im Raum, ob die dadurch entstehenden höheren Kosten durch höhere Preise und Premiumisierung im Export gedeckt werden können. Welche Auswirkungen hat dies für die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Erzeuger, denen es oft an Zugang zu Märkten und Vertriebskanälen fehlt? Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass der Strukturwandel weiter fortschreitet und große Betriebe neben Kostenvorteilen besonders von ihrem besseren Marktzugang profitieren.
Die auf europäischer Ebene diskutierten vielfältigen Themen spiegeln die Herausforderungen wider, vor denen die vergleichsweise kleine deutsche Weinbranche steht. An vielen dieser Themen wird bereits in Forschungsprojekten der Hochschule gearbeitet und sie zeigen die Richtung auf, in der auch in Zukunft praxisrelevante Forschung notwendig ist.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Simone Loose