Im Projekt KlimaKom untersuchten Forschende der Hochschule Geisenheim und des JKI Dossenheim bis Ende 2021 den Einfluss des Klimawandels auf derzeitige Verfahren im Pflanzenschutz, die sich die Wirkweise von Infochemikalien zunutze machen. Diese Chemikalien dienen der Kommunikation zwischen den Schädlingen beziehungsweise zwischen den Schädlingen und ihren Wirtspflanzen. Der biotechnologische Pflanzenschutz mittels flüchtiger Infochemikalien ist selektiv und effizient und somit ein sehr wichtiger Baustein des integrierten Pflanzenschutzes. Ein erfolgreiches Beispiel ist der Einsatz von Sexualpheromonen von Traubenwicklern im Rahmen der „Verwirrmethode“ im Weinbau.
Der bekreuzte Traubenwickler (Lobesia botrana), eines der wichtigsten Schadinsekten im Weinbau, ist dank der Verwirrmethode in Deutschland momentan gut unter Kontrolle, was wiederum den Einsatz von Insektiziden im Weinberg massiv verringert hat. Traubenwickler-Männchen folgen im Weinberg einer Duftspur aus Sexualpheromonen, um Weibchen zu finden und sich zu paaren. Bei der Verwirrmethode werden künstliche hergestellte Pheromone großflächig im Weinberg ausgebracht und überdecken die echten Duftspuren. So finden die Männchen nur noch selten Weibchen und eine Paarung findet kaum statt. Aber wird die Methode auch unter zukünftigen klimatischen Bedingungen erfolgreich sein? Im Projekt untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob erhöhte Temperaturen, Ozon- und Kohlendioxid (CO2)-Konzentrationen die Physiologie der Traubenwickler so beeinflussen können, dass sich zukünftig ihre Produktion oder die Wahrnehmung verändert und damit die Verwirrmethode eventuell weniger erfolgreich wäre.
Die Versuche zeigten, dass dies vor allem in Bezug auf erhöhte Temperaturen und Ozonkonzentrationen der Fall ist, während sich ähnliche Effekte unter erhöhter CO2-Konzentration nicht zeigten. Freilandversuche, in denen verschiedene Klimafaktoren gemeinsam geprüft werden, sind ein nun nächster Schritt, um die Klimawandelfestigkeit der Verwirrmethode sicherzustellen.
Wie viele andere Insekten orientieren sich Traubenwickler an Duftstoffen, die von ihren Wirtspflanzen freigesetzt werden, um diese zu finden. Dies gilt auch für den Birnblattsauger (Cacopsylla pyri), der Krankheiten an Birnbäumen übertragen kann, und ebenfalls Teil des KlimaKom-Projekts war. Versuche zeigten, dass erhöhte CO2-Konzentrationen zwar zu Veränderungen im Duftstoff-Bouquet von Weinreben sowie Birnbäumen führen können. Dies hat die Präferenz von Birnblattsaugern aber nicht und die Präferenz von Traubenwicklern kaum beeinflusst. Erhöhte Ozonkonzentrationen veränderten das Duftstoffbouquet von Birnbäumen ebenfalls und führten sogar dazu, dass Birnblattsauger die exponierten Bäume mieden. Waren die Insekten selbst höheren Ozonkonzentrationen ausgesetzt, verringerte das zusätzlich ihre Wahrnehmung der Duftstoffe. Zukünftige erhöhte Ozonkonzentrationen können also die Wirtsfindung beeinflussen. Aber wie wird sich das im Zusammenspiel mit erhöhten Temperaturen auswirken? Hier herrscht noch Forschungsbedarf.
Auch bezüglich der Auffindung der Wirtspflanzen zeigte sich also, dass erhöhte Temperaturen und Ozonkonzentrationen großen Einfluss auf die Kommunikation mittels Infochemikalien und deren Einsatz im Pflanzenschutz haben können, während der Einfluss erhöhter CO2-Konzentrationen geringer ausfiel. Diese Ergebnisse dienen der Entwicklung und Verbesserung innovativer Bekämpfungsmaßnahmen von Schaderregern. Um eine möglichst realistische Prognose machen zu können, müssen allerdings nicht nur einzelne klimarelevante Faktoren untersucht werden, sondern die Interaktionen mehrerer Klimafaktoren in komplexen, praxisnahen Freilandversuchen in Kombination untersucht werden.
Das Projekt KlimaKom war ein Verbundvorhaben des Fachgebiets Angewandte Chemische Ökologie des Julius-Kühn Instituts für Pflanzenschutz im Obst- und Weinbau in Dossenheim und des Instituts für Phytomedizin der Hochschule Geisenheim, gefördert durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Es lief von 2018 bis Ende 2021. In diesem Rahmen kombinierten Forschende Freiland- und Laborexperimente, indem sie die Geisenheimer Free Air Carbon dioxide Enrichment (FACE)-Anlage im Weinberg sowie die Dossenheimer Windtunnel und Gaschromatografie-Elektroantennografie-Anlagen nutzten. Zusätzlich wurde der Einfluss erhöhter atmosphärischer Ozonkonzentration untersucht.