Der Saftmarkt in Brasilien befindet sich in einem enormen Wandel. Obwohl das Land für seine tropischen Früchte und Saftbars bekannt ist, verkauft der LEH fast nur Nektare und Fruchtsaftgetränke. Vereinzelt gibt es auch Direkt- und rückverdünnte Säfte mit 100% Fruchtanteil zu kaufen, jedoch sind diese verhältnismäßig teuer. Woran liegt das? Grundsätzlich wird für die Schwellenländer von weniger kritischen Konsumenten ausgegangen, welche auch als „Saft“ deklarierte Fruchtsaftgetränke oder Nektare kaufen. Damit lässt sich natürlich ein viel höherer Gewinn erzielen als mit Direktsäften und solchen, die aus Konzentrat rückverdünnt werden. Bemerkenswerterweise ist Brasilien der mit Abstand größte Produzent von sowohl Orangendirektsaft als auch Orangensaftkonzentrat, welches aber zum Großteil nach Europa und Fernost exportiert wird.
Kommen wir zur aktuellen Entwicklung. Vor einigen Jahren hat ein junger Unternehmer in Rio die Saftmarke „do Bem“ gegründet, was man mit „vom Guten“ übersetzen kann. Die Firma lässt ausschließlich Direktsäfte, rein und als Mischsaft, produzieren und verkauft sie mithilfe einer ausgeklügelten, auf Nachhaltigkeit, Hipstertum und Reinheit basierenden Marketingstrategie. Und die Konsumenten fahren drauf ab. Innerhalb von nur drei Jahren entwickelte sich die Firma von einer lokalen Marke zu einem landesweit in jedem Supermarkt zu kaufenden Produkt. Auch technische Entwicklungen gehen an der Marke nicht vorbei, brachte sie doch unlängst (als Safthersteller!) ein eigenes Fitnessarmband auf den Markt, welches die Konsumenten zu mehr Bewegung anregen soll.
Ein weiterer Trend geht in Richtung HPP-Behandlung von Direktsäften. Ein relativ großer traditioneller Safthersteller hat vor kurzem eine mittelgroße HPP-Anlage des spanischen Herstellers Hiperbaric gekauft und angefangen, die Säfte mit Hochdruck zu behandeln anstelle der herkömmlichen Pasteurisation. Die kürzere Haltbarkeit und die unbedingte Einhaltung der Kühlkette kann jedoch mit einem natürlicheren Geschmack und einer kaum wahrnehmbaren Farbveränderungen des Saftes wettgemacht werden. Was mit Apfel- und Orangensaft begann, ist mittlerweile zu einer umfangreichen Produktpalette herangewachsen. Vor allem der Bereich der sogenannten Detox-Säfte, genau genommen handelt es sich um Functional-Food, expandiert sehr stark. So gibt es die für uns in Deutschland sehr ungewöhnlichen Kombinationen aus Limette, Apfel, Kohl, Spinat, Ingwer und Melisse neben vielen weiteren als Saftgetränk zu Entgiftung. Und auch in diesem Fall gibt der Markt der Entscheidung des Firmeninhabers Recht, mit HPP ein Alleinstellungsmerkmal zu bekommen. Es gibt die unter der Marke Natural One verkauften Säfte in der Region Sao Paulo in allen gut sortierten Supermärkten zu kaufen.
Mir persönlich sind die Detox-Säfte zu schwach im Geschmack, da sie mit Wasser gestreckt werden zur Kaloriensenkung, gelten sie doch als der natürliche Gewichtsreduzierer schlechthin. Aber was durch die HPP-Behandlung bei traditionellen Direktsäften an Geschmack im Vergleich zu pasteurisierter Ware erhalten bleibt, ist unbeschreiblich, wenn man es nicht selber probiert hat. Es läuft so gut, dass die mittelgroße HPP-Anlage mittlerweile durch mehrere der größten Hiperbaric-Anlagen ersetzt worden sind.
Interessanterweise liegen die beiden hier vorgestellten Hersteller mit ihren Säften in der selben Preiskategorie, in der sich vor einigen Jahren noch die Nektarhersteller befanden. Um einen ungefähren Eindruck zu bekommen: „do Bem“-Säfte kann man pro Liter ab ca. 1,60 € kaufen, HPP-Säfte von Natural One fangen pro Liter bei ca. 1,30 € an und gehen bei Detox-Säften auf bis zu 3 € pro Liter hoch. Ich habe persönlich viele Leute getroffen, die mittlerweile fast vollständig auf traditionelle Erfrischungsgetränke verzichten und lieber Direktsäfte kaufen. Eine erfreuliche Entwicklung!
Der allerneueste Schrei ist jedoch die Herstellung und Vermarktung von direkt gepressten, völlig unbehandelten Frischsäften. Allein in der Stadt Sao Paulo haben sich in den letzten drei Jahren mehr als 10 Firmen gegründet, allesamt von Frauen geleitet. Diese Thematik wird jedoch in einem eigenen Artikel beleuchtet werden, kann man daraus sehr viele Ideen unter anderem auch für den deutschen Markt ableiten.
Weitere Infos:
„do Bem“ (portugiesisch): dobem.com und auf Instagram instagram.com/dobem
„Natural One“ (für Englisch auf den Button oben rechts klicken): natone.com.br