Die vielschichtigen Auswirkungen des Klimawandels auf den Riesling – allem voran den Geschmack und die Inhaltsstoffe der Weine, aber auch auf die Arbeit in Weinberg und Keller – skizzierte Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, Präsident der Hochschule Geisenheim, im Rahmen des International Riesling Symposium (IRS) in Kloster Eberbach Anfang Mai eindrücklich. In regem Austausch mit dem internationalen, hochkarätigen Publikum und begleitet von einer durch den britischen Weinjournalisten Stuart Pigott kommentierten Weinprobe mit Riesling-Jahrgängen zurück bis 1966, legte Schultz den aktuellen Stand der Wissenschaft in Bezug zu den Charakteristiken der verkosteten Weinjahrgänge dar: Wie sich die klimatischen Bedingungen über mehr als 50 Jahre verändert haben, wie die Verschiebung der Vegetationsphasen neue Managementstrategien erforderte, wie zunehmende Trockenheit für eine merkliche Veränderung der Aromakomponenten im Riesling sorgt und die temperaturbedingt sinkenden Säuregehalte neue kellerwirtschaftliche Ansätze bedingen.
„Allein diese Beispiele zeigen, dass die Herausforderungen, vor die der Klimawandel Produzentinnen und Produzenten bereits gestellt hat und weiter stellen wird, enorm sind“, betont Schultz. „Parallel steigt bei ihnen das Bewusstsein, wie wichtig es ist, auf allen Ebenen noch nachhaltiger zu agieren. Als Lehr- und Forschungseinrichtung kommt uns hier eine Schlüsselrolle zu, da wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus allen weinbaulich und oenologisch relevanten Teildisziplinen über Studium und Wissenstransfer in die Praxis tragen können. Der Dialog im Rahmen des IRS hat einmal mehr gezeigt, dass hier national wie international eine große Nachfrage besteht.“
Auch rund 160 Studierende der Hochschule Geisenheim aus den deutsch- und englischsprachigen Bachelor-Studiengängen in den Bereichen Weinbau und Oenologie sowie Weinwirtschaft nutzten im Rahmen des IRS die Möglichkeit zum persönlichen Austausch mit namhaften internationalen Winzerinnen und Winzern, Forschenden, Vertreterinnen und Vertretern aus Weinhandel und -vermarktung, Journalismus und der Zulieferindustrie. Sie nahmen in Gruppen zudem an den vier Wine Tastings, die das Symposium begleiteten, teil. Neben der Probe zum Themenkomplex Klimawandel, den Prof. Dr. Hans Reiner Schutz leitete, standen der New World Riesling am Beispiel der Region Washington State, der von Prof. Dr. Markus Keller von der Washington State University ebenfalls mit einer begleitenden Weinprobe vorgestellt wurde, die Bedeutung des Rieslings für Weingüter, Handel und Gastronomie sowie die Herstellung und Vermarktungschancen von Riesling mit guten Alterungseigenschaften im Fokus. Die Gäste des Symposiums verkosteten insgesamt rund einhundert Rieslinge von vier Kontinenten und aus beinahe sechs Jahrzehnten.
Als Überraschungswein hatten die internationalen Rieslingexpertinnen und -experten auch einen 2015er Krähennest aus dem Weingut der Hochschule Geisenheim im Glas. Das Krähennest, eine ungewöhnliche Weinbergslage mit 14 Terrassen oberhalb von Rüdesheim, beherbergt 20 Rieslingklone auf sechs Rebunterlagen; sie soll hierdurch die Auswirkungen von klimatischen „Ausschlägen“ abpuffern und wird im Rahmen des Projektstudiums von Studierenden der Hochschule Geisenheim bewirtschaftet.
Rieslingklone und die Rebenzüchtung als wichtige Strategie der Wissenschaft, die Weinbaupraxis in die Lage zu versetzen, die Auswirkungen des Klimawandels erfolgreich zu bewältigen, standen auch im Rahmenprogramm des Internationalen Riesling Symposiums. Am Institut für Rebenzüchtung der Hochschule Geisenheim informierten Prof. Dr. Joachim Schmid und Prof. Dr. Kai Voss-Fels am Sonntag vor der eigentlichen Tagung über die aktuelle Züchtungsforschung.
„Unsere Arbeit steht unter der Leitfrage: Wie können wir dazu beitragen, dass die Winzerinnen und Winzer auch in Zukunft gesunden Riesling lesen können?“, so Prof. Dr. Joachim Schmid. Zukunftsfähige Rieslingklone müssten beispielsweise locker- oder kleinbeeriger sein, um deren Anfälligkeit für Botrytis zu verringern. Ein weiterer Aspekt sei das Vegetationsverhalten; um Spätfrösten auszuweichen sei es notwendig, Klone zu selektieren, die später austrieben.
Nicht zu vernachlässigen ist laut Schmid zudem, dass die Haltbarkeit der Rieslingweine unter der Klimaerwärmung leidet. Mit der Verkostung einer Beerenauslese Jahrgang 1990 sowie Rieslingen aus den Jahren 1999, 2004 und 2021 bekamen die Gäste einen ersten Eindruck von den Veränderungen im Riesling. Dabei verkosteten sie unter anderem auch den weltweit am häufigsten angebauten Rieslingklon Gm 239 aus Geisenheimer Züchtung; 86 der über 1.200 selektionierten Rieslingklone hat das Institut inzwischen beim Sortenamt angemeldet – ein ganz pragmatischer Weg, die Ergebnisse Geisenheimer Forschung in die Praxis zu tragen.
Über das International Riesling Symposium
Das International Riesling Symposium ist der europäische Teil einer Veranstaltungsreihe, die abwechselnd in Australien, im amerikanischen Washington State (Riesling Rendezvous) und im Rheingau ausgetragen wird; bei der Veranstaltung im Rheingau ist die Hochschule Geisenheim Partner, die Studierendenbeteiligung wurde durch das Sponsoring der Wein-Handelsfirma HAWESKO (Hanseatisches Wein und Sekt Kontor) ermöglicht. Federführend organisiert wurde das IRS 2022 vom VDP Rheingau e. V..