„Bis 2030 sollen 30 Prozent weniger Pestizide in Hessen eingesetzt werden. Wir müssen den Pestizideinsatz auf den Äckern, aber auch in Gärten und kommunalen Grünflächen reduzieren, um die Artenvielfalt, unsere Ressourcen und damit auch unser Leben und unsere Zukunft zu schützen“, erklärte die Umwelt- und Landwirtschaftsministerin. Neben der Etablierung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Betriebe, Kommunen und Privatpersonen sollen auch die Förderlandschaft ausgebaut und die Forschung gestärkt werden.
Die Wahl der Örtlichkeit für die Vorstellung des Plans war dabei durchaus passend: „Dem Weinbau kommt ein besonderer Stellenwert bei der Reduktion des Pestizideinsatzes zu“, so Prof. Dr. Annette Reineke, Vizepräsidentin Forschung und Leiterin des Instituts für Phytomedizin der Hochschule Geisenheim. Der Weinbau in Europa sei mit Blick auf die eingesetzte Wirkstoffmenge, insbesondere im Bereich der Fungizide, Spitzenreiter. Der Anteil der Rebfläche an der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland beträgt nur 0,6 Prozent; auf dieser werden allerdings geschätzt rund 20 Prozent der im Land eingesetzten fungiziden Wirkstoffe appliziert.
„Die Entwicklung neuer Verfahren für den Pflanzenschutz bei gleichzeitiger Sicherung der Wirtschaftlichkeit der Betriebe ist für die Hochschule Geisenheim ein wichtiger Baustein, um Strategien für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft zu schaffen“, betonte Prof. Dr. Annette Reineke. Die Forschung am Standort zahle durch verschiedene Ansätze direkt auf die Ziele des Hessischen Pestizidreduktionsplans ein – nicht nur im Wein-, sondern auch im Obstbau: Zu den Strategien für einen reduzierten Pestizideinsatz, an denen Geisenheimer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten, gehören die Erarbeitung von Verfahren zur gezielten Freilassung biologischer Gegenspieler wie Schlupfwespen sowie zur Optimierung des Einsatzes mikrobieller Antagonisten unter Freilandbedingungen.
Die Züchtung von resistenten oder toleranten Sorten, die besser an einen Befall mit Schaderregern angepasst sind, leistet ebenso wie die Entwicklung innovativer Applikationstechnik für die gezieltere Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des Ziels eines verminderten Pestizideinsatzes. „Unsere Forschungsarbeiten zur Diversifizierung der Anbausysteme von Sonderkulturen tragen zudem dazu bei, die sogenannten Ökosystemleistungen eines Anbausystems effizient auch für neue, pestizidreduzierte Wege im Pflanzenschutz zu nutzen“, so die Vizepräsidentin Forschung.
Konkrete Möglichkeiten zur Reduzierung und Substitution kupferhaltiger Pflanzenschutzmittel im ökologischen Weinbau stellte Prof. Dr. Beate Berkelmann-Löhnertz vor. Unter ihrer Leitung arbeitet ein interdisziplinäres Konsortium im Verbundprojekt VITIFIT an unterschiedlichen Ansätzen zur Eindämmung des aggressiven Schadpilzes Plasmopara viticola. Durch die Nutzung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten kann der Kupfereinsatz demnach um bis zu 80 Prozent reduziert werden, durch den Einsatz von mikroverkapselten Kupfersalzen um mindestens ein Drittel. „Neben Kupfer können auch andere Wirksubstanzen verkapselt und durch die damit verbundene längere Verweildauer auf dem Laub in reduzierter Menge eingesetzt werden. Daher sind Mikrokapseln auch bei der angestrebten Verminderung organisch-synthetischer Fungizide im integrierten Weinbau von Interesse“, so Prof. Dr. Beate Berkelmann-Löhnertz. Ähnlich hoch wie die Wirkung der verkapselten Kupfersalze sei im Versuchsweinberg die Wirkung stilbenhaltiger Rebholzextrakte, so die Wissenschaftlerin. Dort findet als flankierende Maßnahme darüber hinaus die UVC-Technologie zur direkten und indirekten Kontrolle pilzlicher Schaderreger der Rebe Anwendung.
Das Verbundprojekt VITIFIT wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau.