Nachrichten

seltene Nebenjobs: vom Hörsaal in die weite Welt

Flugzeug am Frankfurter Flughafen
(© by Heidas / Quelle: wikimedia.org / Lizenz: CC BY-3.0)

Flughafen Frankfurt, Terminal 1, Freitag um 6:30 Uhr

Oliver S.* wartet am Eingang bei den Taxis auf einen weißen Lieferwagen. Er sieht müde aus und hält einen Pappbecher mit heißem Kaffee in der Hand. Er tritt von einem Fuß auf den anderen, geht ins Terminal hinein, kommt wieder heraus und wartet nun schon seit 25 Minuten auf das Auto. Dabei wurde ihm am Telefon gesagt, unbedingt pünktlich zu erscheinen. Er ist bereits seit fünf Uhr auf den Beinen.

Olivers Handy vibriert. Der Fahrer des Lieferwagens meldet sich und sagt ihm, dass er vor Eingang 4 einen Parkplatz gefunden habe. Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Ware in Empfang nehmen, zum Zoll, dann zum Check-In und anschließend die Maschine nach Casablanca nehmen. Royal Air Maroc.

Nebenjob On-Board-Kurier. 

Durch Zufall erfuhr Oliver aus einem Artikel in der Zeitschrift Unicum über Kuriere, die per Flugzeug wichtige Sendungen oder Dokumente begleiten und vor Ort ausliefern. „Ich dachte mir, probierst du es aus und habe mich auf gut Glück beworben, ohne jedoch viel Hoffnung zu haben, angenommen zu werden. Einen Monat später hatte ich mein Bewerbungsgespräch und wurde für den ersten Auftrag gebucht“, erzählt er.

Diese sogenannten On-Board-Kuriere arbeiten für Notfall-Logistik-Unternehmen. Sie sind ein Kind der Globalisierung und beliefern vor allem (deutsche)  Unternehmen, welche in Billiglohnländern Produktionsstätten betreiben und auf Ersatzteile der deutschen Mutterwerke angewiesen sind, wenn mal eine Maschine defekt sein sollte. Herkömmliche Speditionen sind nicht schnell genug. Wenn der Ausfall einer Produktionsanlage pro Stunde Verluste von vielen tausend Euro bedeutet, sind die relativ hohen Kosten einer Sofortlieferung der Ersatzteile per Flugzeug zu vernachlässigen.

Olivers Firma wirbt mit Lieferzeiten von maximal 24 Stunden zu allen großen Flughäfen weltweit. Da für kleine Mengen an Ware kein eigenes Transportflugzeug gechartert werden kann, muss die Ladung bei herkömmlichen Passagierflügen im Frachtraum mitfliegen. Und hier kommt der Kurier ins Spiel. Er begleitet die Transporte von der Annahme bis zum Ziel. Notfalls liefert er per Mietwagen sogar bis in die innere Mongolei aus. Normalerweise wird die Ware jedoch an Flughäfen von Kontaktpersonen in Empfang genommen.

Von der Vorlesung direkt ins Flugzeug

„Einmal riefen sie mich um 22 Uhr an und fragten, ob ich am nächsten Morgen mit der ersten Maschine nach Tunis fliegen könnte. Da ich keine Vorlesungen hatte, war ich dabei“ sagt Oliver lachend. Spontanität ist eine der Grundvoraussetzungen für diesen Job.  Auf die Frage, was sonst noch erwartet wird, überlegt er nicht lange und meint: „Verantwortungsbewusstsein ist das A und O. Sie buchen dich, damit du eine wichtige und unter Umständen wertvolle Fracht begleitest. Da müssen sie dir zu hundert Prozent vertrauen können. Ein guter Orientierungssinn und Sprachkenntnisse sind auch extrem wichtig. Und Spaß am Fliegen“, fügt er hinzu.

Unregelmäßigkeiten treten selten auf. Aber manchmal, so erzählt er, bereite der Zoll im Zielland Probleme. Dann würde die deutsche Ausfuhrbescheinigung nicht anerkannt oder der Wert der Ware bezweifelt. Wenn aber seine lokalen Kontaktpersonen bereits im Zoll  anwesend sind, können diese die Ware in der Regel schnell auslösen.

Das Reisen ließ sich bisher gut mit dem Studium vereinbaren. Da nicht jeden Tag Vorlesungen stattfinden, nutzt Oliver diese Tage, um zu fliegen. Aber mehr als drei Flüge im Monat macht er trotzdem nicht. Denn der Job, so schön er auch klingt, ist sehr anstrengend. In den wenigsten Fällen kommt er noch am gleichen Tag zurück, sondern muss in Hotels übernachten und auf den Rückflug warten. Dafür wartet mit jedem Auftrag ein neues Land auf ihn. Und wenn die Ware übergeben wurde, hat Oliver Zeit, sich die jeweilige Stadt anzuschauen oder an den Strand zu gehen. Seine Arbeitsstunden kann er bis zur Rückkehr in Frankfurt anrechnen lassen.

*Oliver S. studiert in Geisenheim, heißt aber in Wirklichkeit nicht so, wie er hier genannt wird. Der Autor kennt seine wahre Identität.

Kategorien: Study & Work, Nachrichten