Im Herbst 2018 hat die Hochschule Kooperationsvereinbarungen mit zwei führenden Unternehmen der digitalen Weinwirtschaft geschlossen: Weinbau Online aus Mainz und EuvinoPro aus Berlin.
Weinbau Online mit dem Geschäftsführer Tobias Scholl bietet Cloudsoftware für Weingüter und den Weinhandel an, um interne Prozesse im Weingut effizienter zu gestalten. Zum Angebot gehören z. B. eine elektronische Schlagkartei, Flaschen-, Keller- und Herbstbuch, Webshops, statistische Betriebsauswertungen, Newsletter, Serienbriefe und viel mehr. In einem ersten gemeinsamen Projekt mit der Hochschule wurden die Erfolgsfaktoren von Online-Newslettern in einer Masterarbeit erforscht.
EuvinoPro aus Berlin mit dem Geschäftsführer Johannes Finze bietet Winzerinnen und Winzern, Weinhandel und Verbänden umfangreiche Software-Lösungen für Verwaltung, Beschaffung, Vertrieb & Marketing, CRM und Datenmanagement an. So betreibt das Unternehmen ein Weinportal für deutsche und internationale Winzerinnen und Winzer und ist Initiator des Datennetzwerkes der Weinbranche. Neben Gastvorlesungen im Seminar „Digitisation in the wine industry“ in Geisenheim, gemeinsamen Veröffentlichungen in angewandten Branchenzeitschriften, sowie einer Masterarbeit zu Benchmarks in Onlineshops gehört auch das Projekt „Experimentierfeld“ zur umfangreichen Zusammenarbeit zwischen der Hochschule und EuvinoPro.
„Wir freuen uns sehr über die enge Zusammenarbeit mit den beiden Branchenführern im Bereich der digitalen Weinwirtschaft“, äußert sich Prof. Dr. Simone Loose vom Institut für Wein- und Getränkewirtschaft. Eine so enge Kooperation zwischen einer Hochschule und digitalen Wirtschaftsunternehmen der Weinbranche ist bisher international einzigartig und bringt beiden Seiten viele Vorteile. „Die Digitalisierung erlaubt uns, das tatsächliche Geschehen in der Weinwirtschaft zu messen und zu verstehen. Während Befragungen immer mit Problemen in der Erinnerung, der groben Abschätzung oder sozialer Erwünschtheit behaftet sind, reflektieren digitale Daten unverzerrt die Wirtschaftsrealität der Weinbranche. Damit können wir für die Branche zuverlässige Ergebnisse und Messwerte für bisher unerforschte Gebiete der Weinwirtschaft erreichen“, hebt Loose hervor.
Die Geisenheimer Studierenden profitieren von einem frühen Einblick in die digitale Weinwirtschaft, die in ihrem zukünftigen Berufsleben eine fundamentale Rolle spielen wird. „Ich finde es sehr wichtig, dass unseren Studierenden frühzeitig bewusst wird, dass die Digitalisierung die zukünftigen Prozesse in der Weinwirtschaft sehr stark prägen und verändern wird. Die Winzerinnen und Winzer sowie Weinhändlerinnen und Weinhändler von morgen müssen neuen Anforderungen gerecht werden und das Studium in Geisenheim soll sie rechtzeitig darauf vorbereiten“ betont Loose.
Was macht Newsletter erfolgreich?
Aus der Kooperation zwischen Weinbau Online (WBO) und dem Geisenheimer Institut für Wein- und Getränkewirtschaft sind im Rahmen einer Masterarbeit bereits erste wissenschaftliche Ergebnisse entstanden und der Weinbranche vorgestellt worden. „Wir möchten uns ganz herzlich bei den 25 Weingütern und Nutzern von Weinbau Online bedanken, die uns ihre Online-Newsletter und Zugriffsdaten auf die verlinkten Inhalte für unsere Analysen anvertraut haben“, berichtet Loose. In einer Zeit, wo die Direktvermarktung rückläufig ist und nicht nur junge Kundinnen und Kunden digital regelmäßig an das Weingut und sein Angebot erinnert werden wollen, sind Newsletter ein wichtiges Marketinginstrument der Weingüter. Wie erfolgreich sind Online-Newsletter darin, Kunden zu erreichen und Wein abzusetzen? Das Ziel der Arbeit bestand darin, Vergleichswerte für den Erfolg von Online-Newslettern zu ermitteln und herauszufinden, wie der Erfolg von Newslettern gesteigert werden kann.
Die insgesamt 552 Newsletter, die die 25 Weingüter an insgesamt 259.000 Empfänger verschickten, wurden von Sarah Adeneuer in ihrer Masterarbeit auf ihre Eigenschaften untersucht und kategorisiert. So unterschieden sich die Newsletter in ihrer Gestaltung, im formalen Inhalt, im Hauptthema und in der Art und Weise, wie der Empfänger zu einer Handlung aufgerufen wurde.
Der Umfang der Adressdatenbank als der Anzahl der Empfänger der Newsletter wurde als ein wesentlicher Erfolgsfaktor identifiziert. Die Zahl der Leserinnen und Leser der Newsletter nimmt linear mit der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger zu. Weingüter müssen dafür kontinuierlich ihre Reichweite erhöhen und aktiv Interessenten für ihre Newsletter gewinnen.
Im Mittel lag die Leserate der Newsletter bei 42 % und 17 % der Leserinnen und Leser (damit 7,1 % der Empfängerinnen und Empfänger) klickten auf einen Link in der E-mail. Von anderen Kooperationspartnern ist bekannt, dass die Konversionsrate deutscher Winzerinnen und Winzer als der Quote der Käufe bezogen auf die Klicks bei zirka 1 - 2 % liegt (siehe Abbildung). Damit führen nur 0,07 % bis 0,14 % der versendeten Online-Newsletter zu einem tatsächlichen Kauf. Für die untersuchten Winzer mit im Mittel 390 Empfänger pro Newsletter folgte auf eine Aussendung nur knapp ein Kauf im Onlineshop. Im Vergleich zu Briefsendungen mit Papier-Newslettern mit einer Kaufrate von ungefähr 1 % weisen Online-Newsletter also eine wesentlich geringere Erfolgsquote auf. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Kosten der Briefsendungen auch deutlich über Online-Newslettern liegen.
Eine höhere Sendefrequenz führte nur zu einer geringen Abnahme der Erfolgsquote, pro zehn Newsletter sank die Leserate nur geringfügig um 1 %. Die Lese- und Klickrate lag außerhalb der Kernarbeitszeit der typischen Weinkunden morgens, abends und am Wochenende deutlich höher. Newsletter sollten also dann gesendet werden, wenn Empfänger Zeit zum Lesen haben. Die Erfolgsquote der Newsletter war deutlich höher für ansprechende und personalisierte Newsletter mit Betreffzeile und persönlicher Anrede und für Newsletter mit einfachem und direktem Ein-Klick Zugriff auf die relevanten Informationen (keine PDFs im Anhang etc.).
Loose stellte die Ergebnisse der Arbeit am 09. Mai 2019 auf dem Weinmarketingtag der Hochschule Heilbronn einem interessierten Publikum vor. In der regen Diskussion wurde deutlich, wie wichtig die Erkenntnisse aus digital verfügbaren Daten für die Weinbranche sind. Dort, wo gemessen werden kann, ist auch eine Verbesserung der Marketingaktivitäten der Weingüter möglich. Daten aus der Digitalisierung der Branche werden aus Sicht der Professorin eine immer stärkere Bedeutung in Forschung und Lehre in Geisenheim einnehmen.