(....) Ohne Medienkompetenz geht auch in der Weinwelt nichts mehr. Deshalb müssen sich an der Hochschule Geisenheim schon die Erstsemester mit den „neuen“ Medien auseinandersetzen – die für die jungen Studierenden gar nicht mehr so neu sind. Doch wie man Inhalte für die jeweilige Zielgruppe aufbereitet und die Adressaten erreicht, lernen die Studentinnen und Studenten seit Jahren bei Robert Lönarz in der Vorlesung Informationstechnologie. Lönarz ist an der Hochschule für Kommunikation und Hochschulbeziehungen zuständig, im „Nebenberuf“ u.a. auch Präsident der Ehemaligenvereinigung und der WEINELF Deutschland.
Am letzten Freitag stellten die „Erstis“ am „Geisenheimer Mediaday“ die Ergebnisse ihrer Arbeit vor, die sie in insgesamt sieben Projektgruppen erarbeitet hatten. Dabei ging es nicht nur um eine reine Vorstellung der Arbeiten, sondern auch darum, in großem Rahmen vorzutragen. Denn der Gerd Erbslöh Hörsaal war voll besetzt – mit Studienkolleginnen und -kollegen, aber auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Brancheninsidern.
Schon seit dem Jahr 2004 gibt es diese Art der Wissensvermittlung, bei der in der Regel Lehrbeauftragte aus der Praxis einbezogen wurden. „Es ging uns immer darum, auch Expertise und frische Ideen von außen zu bekommen“, betonte Lönarz. Was sich im Laufe von 19 Jahren gerade im Medienbereich getan hat, stellte er im Zeitraffer vor. Aus kleinen Anfängen mit – aus heutiger Sicht – fast schon vorsintflutlichen Hilfsmitteln hat sich ein Format entwickelt, das sich hinter den Arbeiten professioneller Medienagenturen nicht verstecken muss.
Wie wichtig die Arbeit mit den neuen Medien ist, zeigte sich spätestens beim Ausbruch der Corona-Pandemie, die sich, wie Lönarz es ausdrückte, als „Katalysator der Digitalisierung“ erwies, als z.B. Online-Weinproben einen Boom erlebten.
Die Veranstaltung bildete zugleich eine Zäsur. Denn Informationstechnologie ist nach den neuen Studienvorgaben kein Pflichtfach mehr, sondern nur noch ein „Wahlpflichtfach“ im Studiengang Internationale Weinwirtschaft und für Weinbau und Önologie und Getränketechnologie sogar nur noch ein Wahlfach. Ob damit die Gruppen wirklich kleiner werden, wie Robert Lönarz vermutet, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Nimmt man die Begeisterung als Gradmesser, mit der die Studierenden bei der Sache waren, dürften sich die Dozenten und Lehrbeauftragten auch zukünftig nicht über mangelndes Interesse beklagen.
Praxis schlägt Theorie
"Praxis ohne Theorie leistet immer noch mehr als Theorie ohne Praxis" – ein 2.000 Jahre altes Zitat nahm Robert Lönarz als Leitmotiv für die insgesamt sieben Präsentation, in denen – strikt limitiert auf 15 Minuten – die Studierenden ihre Arbeit vorstellen sollten. Dabei wurden verschiedenste Aspekte von Digitalisierung in der Wein- und Getränkeindustrie und die Möglichkeiten sozialer Medien gezeigt.
Das Publikum im Hörsaal wie auch zuhause an den Endgeräten – die Veranstaltung wurde live auf YouTube übertragen – konnte am Ende seine Favoriten mit Punkten versehen. Für die Siegerpräsentation wurde der „Goldene Wingertsknorzen“ ausgelobt – ein eher symbolischer Preis. Die VEG – Geisenheim Alumni Organisation der Ehemaligen spendierte dazu noch 150 Euro als Preisgeld. Wichtiger aber, so Robert Lönarz, sei die öffentliche Anerkennung für und Aufmerksamkeit auf das Projekt. So wurde der Sieger des letzten Jahres „Wein gegen Rassismus“ später auch mit dem renommierten „Preis der Deutschen Weinkritik“ ausgezeichnet.
In den sieben Speed-Präsentationen ging es um so unterschiedliche Themen wie Moderationstechniken vor Publikum und online vor der Kamera – hier kann die Hochschule auf die bewährte Hilfe des TV-Profis Martin Seidler bauen. Seidler ist u.a. auch Moderator der beliebten Veranstaltungsreihe „6glasses1bottle“, in der Weine und Weinregionen aus der ganzen Welt vorgestellt werden.
Genau dieses Sendeformat hatte sich eine andere Projektgruppe vorgenommen und gab einen Einblick hinter die Kulissen. Eine russische Studentin stellte ein Konzept für eine fiktive, derzeit aber wohl kaum mögliche Sendung aus ihrer Heimat vor. Realistischer – und schon fest terminiert ist indessen der nächste Weintalk, bei dem es am 12. März um Südtirol gehen wird.
Vom Lagerfeuer zu Social Media
Wie Seidler ist auch Wolfgang Junglas ein alter Hase im Bereich der Medien. Der Weinjournalist und Seele der Rheingauer Weinbühne in Winkel gibt sein reichhaltiges Wissen seit vier Jahren an die Studierenden weiter. „Story telling in Social Media“ gehört zu seinen Kernkompetenzen. Was früher am Lagerfeuer erzählt wurde, erreicht heute über die sozialen Medien eine weitaus größere Reichweite – wenn man es denn richtig macht. Dass seine Schützlinge viel bei Junglas gelernt haben, wurde in seiner Projektgruppe deutlich. Sie hatte sich in ihren Podcast die Aufgabe vorgenommen, mit Mythen rund um den Wein aufzuräumen: „Reinen Wein einschenken“ lautete das Thema, bei dem auf witzige Weise über Korken oder Schraubverschluss, Schwefel und Kopfweh oder filtrierte Weine informiert wurde.
Eine andere Projektgruppe hat sich die fragwürdige TV-Sendung „Magazin Royal“ von Jan Böhmermann vorgenommen. Betreut von Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut wurde Böhmermanns vulgäre, ordinäre und laute Weinbeschimpfung analysiert, die in der Weinbranche für große Empörung gesorgt hatte.
Etwas Besonderes erleben
Bei weiteren Projektarbeiten tauchte immer wieder der Name Lönarz als Betreuer auf. Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, bewies Hannah Lönarz‘ Gruppe „Winzer!Active – Tracking“, die sich mit Logistik in der Weinbranche befasste, für das Unternehmen wie auch für die Kunden.
Papa Robert Lönarz war dann bei den restlichen Präsentationen als Lehrbeauftragter direkt involviert. Wie man auffällt und sein Thema interessant macht, bewies die unterhaltsame Präsentation über die „Grüne Couch“. „Exklusiv, besonders, einzigartig“ sei sie, lobte die Gruppe die Couch, die in den sozialen Medien schon Kultstatus habe – nicht zuletzt dank des Projekt-Videos, das die Gruppe bei den populären Kanälen TikTok und Instagram sowie bei Facebook veröffentlichten.
Eigentlich steht die Couch im Uni-Keller für Interviews mit prominenten Gästen bereit. Doch die Studierenden wurden zu erfindungsreichen Möbelpackern, die die Couch durch die Hochschule und sogar durch Geisenheim trugen, dabei viel Aufmerksamkeit erregten und großes Interesse weckten.
Und auch beim originären Zweck der Couch als Mobiliar für ein Interview mit einem Promi – hier dem Weinbaupräsidenten der Nahe – zeigten sich die Studenten höchst schlagfertig. Ihr Fazit: „Wer hier saß, hat etwas Besonderes erlebt…“
Eng verbunden mit dem Unikeller ist auch die „Geisenheimer Schatzkammer“, die eine weitere Studierendengruppe vorstellte. Zu ihrer Aufgabe gehörte es auch, neue Weine von Geisenheimer Ehemaligen für ebenjene Schatzkammer einzuwerben. 50 Weine hatten sich die Studierenden zum Ziel gesetzt, 35 positive Zusagen konnten sie letztlich vermelden – und die Uni-Schatzkammer mit vier Sekten, acht Rotweinen und 23 Weißweinen auffüllen. Was den Studierenden noch wichtiger war, waren indessen die persönlichen Kontakte, die sie mit den Spendern knüpfen bzw. verfestigen konnten.
„Grüne Couch“ gewinnt
Was sich schon während der Vorträge am Beifall des Auditoriums abgezeichnet hatte, bestätigte sich bei der Preisverleihung. Die Abstimmung im Internet erbrachte die Gruppe „Grüne Couch“ als Sieger. Jury-Vorsitzende Tina Kissinger, selbst ehemalige Studentin und vor 16 Jahren selbst Teilnehmerin der Vorlesung Informationstechnologie und heute Medien-Referentin der Hochschule Geisenheim und Vorstand Kommunikation Bund Deutscher Oenologen, verlieh den „Goldenen Wingertsknorzen 2023“ an die „Grüne Couch“-Gruppe.
Wer sich die informative und witzige Veranstaltung nochmal in Ruhe ansehen will: https://www.youtube.com/watch?v=mDGyy2n1Vt4.