Bereits seit 2018 steht die Idee für eine Biosphärenregion im Rheingau-Taunus-Kreis, der Stadt Wiesbaden und im Main-Taunus-Kreis im Raum. Am 13.12. war die hessenARCHÄOLOGIE Gastgeberin für ein Kolloquium zu diesem Thema. Eingeladen hatten die Bürgerstiftung „Unser Land! Rheingau und Taunus“ in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim (Kompetenzzentrum Kulturlandschaft), um der Frage nachzugehen, wie unser gemeinsames kulturelles Erbe in einer möglichen Biosphärenregion zu verorten sei.
Professor Klaus Werk (Bürgerstiftung Unser Land!) führte durch den Nachmittag und machte bereits in seinen einführenden Worten deutlich, dass eine solche Biosphärenregion als „Modellregion nachhaltiger Entwicklung“ natürlich „aus ihrer Historie wächst“. Das kulturelle Erbe sei ein bedeutender Bestandteil ihres Wiedererkennungswertes und für die Region zwischen Rhein und Taunus mit über 7.000 Jahren menschlicher Geschichte „etwas besonders Qualitätvolles“. „Sie leben hier in einer ganz besonderen Region und das wollen wir Ihnen nahebringen“, erklärte Werk.
Weder Käseglocken noch Indianer
Wie besonders diese Region ist, erläuterte im Anschluss Dr. Frauke Druckrey, Mitglied des deutschen UNESCO-Nationalkomitees. Sie hob dabei unter anderem die vielfältige Abwechslung von unterschiedlichsten Landschaften und urbanen Zentren hervor, von denen Teile von der UNESCO bereits als Biosphärenregionen anerkannt sind. Besonders wichtig war es Druckrey, einen klaren Gegenentwurf zum Angstbild einer Biosphärenregion als „Käseglocke“, als „Musealisierung“ einer Region, in der sich nichts mehr bewegen würde, aufzuzeigen. Es gehe vielmehr darum, die Chance der Biosphärenregion als Zukunftswerkstätte, als „institutionalisierte Plattform zum Aushandeln von Kompromissen“ zu betrachten, die die Region an sich weiterbringe. Das kulturelle Erbe sei einer der Motoren, der diese Entwicklung voranbringen könne.
Wie diese Überzeugung funktionieren kann, demonstrierte Torsten Raab (Biosphärenreservat Rhön). Er erläuterte, wie sich in der Rhön nicht nur Akzeptanz, sondern Begeisterung für das dortige Biosphärenreservat entwickelte. „Wir sind angekommen bei den Leuten, die Region steht hinter dem Biosphärenreservat“, freute er sich. Dies sei jedoch nicht immer einfach gewesen, so Raab. Schon der Begriff „Reservat“ führte anfangs zu Missverständnissen und Unsicherheit. „Wir sind keine Indianer, wir werden da nicht ausgestellt“, erläuterte er. Dabei spielt die Vergangenheit für ihn eine wichtige Rolle. „Auch unsere Spuren gehen weit zurück“, so Raab – beginnend mit den Kelten auf der Milseburg vor über 2.500 Jahren.
Was war und was wir daraus machen
Um sich seines kulturellen Erbes bewusst zu werden, bedarf es jedoch oftmals erst des Wissens um seine Hinterlassenschaften. Jörn Schultheiß (Hochschule Geisenheim) stellte in diesem Rahmen das Kulturlandschaftliche Informationssystem „KuLaDig“ vor. Dieses System, an dem auch das Landesamt für Denkmalpflege Hessen teilnimmt, bietet eine wissenschaftlich betreute Datenbank mit vielen Anknüpfungsmöglichkeiten, denn „es muss bekannt sein, was geschützt und entwickelt werden soll“.
Wie man diese bekannten Objekte dann ganz praktisch wieder erlebbar machen kann, demonstrierte Kjell Schmidt (Regionalpark RheinMain). Ob es darum geht, eine früher vorhandene Bebauung durch Bepflanzungen wieder sichtbar zu machen oder z. B. den römischen Limes durch weiß gekalkte Pfosten – die geschickte Einbindung des kulturellen Erbes in die Entwicklung der Region kenne viele Möglichkeiten. Die Biosphäre könnte hier, so Schmidt, „als Klammer und Katalysator“ dienen, um die Bemühungen vieler Einzelner zu einem großen Ganzen zusammenzuführen.
Das große Ganze nahm auch Dr. Kai Mückenberger (Landesamt für Denkmalpflege Hessen, hessenARCHÄOLOGIE) in den Blick. Der Bezirksarchäologe vertrat den Landesarchäologen Dr. Udo Recker zur Eröffnung der Veranstaltung und vermittelte in seinem Vortrag einen kurzweiligen und doch umfangreichen Rundumschlag über die archäologischen Erkenntnisse „zwischen Feldberg und Binger Loch“. Von den Bandkeramikern an herrschte ein reges Treiben zwischen Rhein und Taunus und „wo der Mensch geht und steht, macht er Löcher“, schmunzelte Mückenberger. Es sei nun eine der wichtigsten Aufgaben der Archäologen, nicht nur das Wissen um dieses Erbe zu erfassen und nach außen zu tragen, sondern auch Möglichkeiten zu schaffen, um dieses der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.
Auch das Thema von Wenzel Bratner (Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Bau- und Kunstdenkmalpflege) wurzelte im wahrsten Sinne des Wortes im Boden. Der Oberkonservator ist Experte für die Gartendenkmalpflege und vermittelte einen umfassenden Eindruck davon, wie Gartendenkmalpflege und Naturschutz nicht nur im Rahmen einer Biosphärenregion in Einklang zu bringen sind und sich gegenseitig positiv beeinflussen können.
In welchem Naturraum wollen wir leben?
Damit dieses Gebiet zustande kommen kann, bedarf es jedoch des Mitwirkens vieler Gemeinden. Volker Diefenbach, Bürgermeister der Gemeinde Heidenrod, holte das Thema daher wieder auf die kommunale Ebene zurück und beschrieb die Möglichkeiten für Nachhaltigkeit auf jener Ebene. Damit dies funktionieren könne, müsse man jedoch aus dem Klein-Klein entkommen und das Projekt als großes Ganzes angehen. Schließlich gehe es um nicht weniger als „eine moderierte Chance für die Zukunft“.
Auf eine Reise von der Vergangenheit bis zu jener möglichen Zukunft lud Andreas Wennemann (Naturpark Rhein-Taunus) die Tagungsteilnehmer ein. Vom Urknall bis zur Moderne malte er dabei Bilder in den Köpfen der Anwesenden, um sie zielgerichtet zu einer Kernfrage zu führen: „Wie wird unser Naturraum in 60 Jahren aussehen und in welchem wollen sie leben?“ Mit einem klaren Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit und Respekt vor unserer Umgebung warb auch er dafür, diese als Chance zu betrachten.
Mit einem konkreten Beispiel, dem Kloster Eberbach, schloss Sebastian Macho (Stiftung Kloster Eberbach) die Reihe der Vorträge ab. Das Kloster, welches heute unter anderem auch als nachhaltiger Tagungsort genutzt wird, verbindet soziales, ökologisches und historisches Engagement an einem Ort und dient damit als ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Unterfangen dieser Art gelingen können.
Reger Austausch von Ideen
Nicht nur in der anschließenden Abschlussdiskussion, sondern auch zwischen den einzelnen Vortragsblöcken öffnete sich die Veranstaltung immer wieder zu regen Diskussionsrunden und einem stetigen Austausch an Ideen. Ein Thema, welches dabei besonders in den Vordergrund gestellt wurde war die ökologische Bildung sowie die Frage, wie man die nächsten Generationen für die Idee der Biosphärenregion gewinnen und diejenigen erreichen könne, die der Idee einer Biosphärenregion wenig aufgeschlossen gegenüberstehen. Denn die Zukunft dieses Unterfangens ist keineswegs gewiss: „Das wird hochspannend“, brachte es Diefenbach auf den Punkt.
Autor: Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege Hessen