Slowfood Rheingau und die Hochschule hatten zu einem Symposium über Roten Riesling eingeladen. Moment mal, ist Riesling nicht der Weißwein schlechthin? Soweit richtig, handelt es sich beim Roten Riesling doch um eine andere Rebsorte. Und noch um eine gänzlich unbekannte Rebsorte dazu. Man geht heute davon aus, dass sich der bekannte weiße Riesling aus dem (blau gefärbten) Roten Riesling durch eine farbabschaltende Mutation entwickelt hat. Da die Winzer lange Zeit weiße Beeren bevorzugten, fristete die rote Variante ihr kümmerliches Dasein unentdeckt in den Beständen der Rebenzüchter und hat Gott sei Dank bis heute überlebt.
Seit ca. einem Jahrzehnt ist die Rote Riesling-Traube wieder in den Fokus sowohl von Anbauern als auch der Wissenschaft gerückt – und es wird ihr eine blühende Zukunft vorausgesagt. Warum?
Ganz einfach, diese Sorte weist einige für den Winzer sehr positive Eigenschaften auf, die sie auch als sogenannte Klimasorte attraktiv machen, als eine Sorte, die den erwartbaren Folgen des Klimawandels relativ gut gewachsen scheint. Vor allem die immer feuchtere Herbstwitterung verträgt der Rote Riesling sehr gut und reagiert mit sehr später Fäulnisbildung im Vergleich zu seinem weißen Bruder. Objektiv-analytisch ist eine verbesserte Weinqualität nachweisbar und somit kann der Wein im Riesling-Land Deutschland durchaus auch zu mehr Diversifizierung beitragen und ist gleichzeitig ein tolles Marketinginstrument. Slowfood geht davon aus, dass trotz der positiven Eigenschaften in naher Zukunft nur ein Nischenmarkt besetzt werden kann, dieser aber große Auswirkungen auf den gesamten Weinmarkt haben wird.
Einer der wichtigsten Punkte in Bezug auf den Roten Riesling ist sicherlich, dass durch den Anbau und natürlich auch durch den Konsum des Weins und die Nachfrage der Verbraucher ein großer Beitrag zum Erhalt genetischer Ressourcen gemacht wird. Trinkt Wein und tut Gutes dabei!
Um diesen Wein für den Verbraucher wahrnehmbar zu machen, fordert Slowfood die Ausdehnung des Anbaus auf mindestens 50 ha bundesweit. Doch die Sorte ist noch nicht vom Bundessortenamt offiziell zugelassen worden (welch Ironie, handelt es sich doch um ene autochthone Sorte, die schon seit Jahrunderten existiert), was vor allem für die Winzer in Rheinland-Pfalz problematisch ist, da das zuständige Ministerium, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, den Anbau untersagt. Die Empfehlung an die pfälzischen Winzer lautet daher, entweder Roten Riesling als „Versuchsreben“ zu pflanzen oder einfach die Deklaration nicht korrekt zu machen. Wenn die Reben zu tragen beginnen, wird die Klassifizierung auch für Rheinland-Pfalz vermutlich geregelt worden sein und man hat gute, ausgewachsene Reben Roter Riesling zu stehen. Das Dilemma der pfälzischen Winzer führte während der Podiumsdiskussion zu hitzigen Debatten mit dem Abgesandten des Mainzer Ministeriums, welcher allerdings die offizielle Meinung persönlich nicht teilen konnte.
Anschließend an die Vorträge luden ausgewählte Weingüter zur Verkostung des Roten Rieslings. Und, oh Schreck, der Wein ist ja gar nicht rot, sondern hell. Genau wie sein weißer Verwandter. Allerdings kann durch Maischeerhitzung oder Kaltmazeration sowohl Rosé als auch Rotwein hergestellt werden. Aus Mangel an Trauben wird dies aber bisher kaum gemacht. Geschmacklich ist der Rote Riesling etwas kräftiger und weniger sauer als der normale Riesling. Dazu kommt ein höherer Gehalt an zuckerfreiem Extrakt. Je nach Weingut waren sehr große geschmackliche Unterschiede feststellbar, wobei dem Autor dieser Zeilen bis auf einen alle verkosteten Weine sehr gut schmeckten.
Das Interesse der Winzer am Roten Riesling ist groß und es wird sich herausstellen, ob überhaupt genug Pflanzmaterial zur Verfügung steht, um die Nachfrage zu befriedigen. Dann braucht sich auch Slowfood keine Sorgen zu machen, 50 ha Anbaufläche sind innerhalb weniger Jahre sicherlich möglich. Und dann kann die Sorte beginnen, ihr Nischendasein zu verlassen und Deutschland auch mit fortschreitendem Klimawandel die Riesling-Nation Nummer eins bleiben. Zum Wohl!
weitere Infos zum Roten Riesling unter: http://www.slowfood-rheingau.de/roterriesling.html