Der Klimawandel macht sich auch im Welterbe Oberes Mittelrheintal bemerkbar. Steigende Temperaturen und zunehmende Wetterextreme wie Dürre und Starkregen führen zu gesundheitlichen Belastungen und Gefahren für die Menschen der Region. Dabei ist das Mittelrheintal bereits jetzt eines der wärmsten Gebiete in Deutschland. „Findet die Bundesgartenschau 2029 unter Palmen statt?“ Diese provokante Frage diskutierte Dr. Martin Reiss am 10. März bei einer Veranstaltung des Solarstammtischs Geisenheim, des Kompetenzzentrums Erneuerbare Energien Rheingau-Taunus e.V. und der Hochschule Geisenheim. Der Mitarbeiter im Institut für Landschaftsplanung und Naturschutz der Hochschule stellte eine Studie von Forschenden der Hochschulen Koblenz, Bingen und Geisenheim vor. Die Leitfrage lautete: Wie betroffen sind Kommunen und was können sie gegen die Auswirkungen des Klimawandels tun?
Trends des Klimawandels aus zurückliegenden Messungen und zukünftige Projektionen sind deutlich: Seit Beginn der Aufzeichnungen (1881) ist die Jahrestemperatur im langjährigen Mittel signifikant um 1,6 Grad Celsius angestiegen. Ebenso wächst die Anzahl heißer Tage, an denen die höchste Lufttemperatur 30 Grad Celsius überschreitet. Aktuell gibt es im Mittelrheintal 11 solcher heißen Tage im Jahr. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Anzahl bis auf 40 Tage pro Jahr ansteigen.
Unsicherheiten bestehen bei der Projektion zur Entwicklung des Niederschlags. In den letzten 30 Jahren sanken die Jahressummen im Mittel und extreme Gegensätze zwischen länger anhaltendender Dürre und kurzen, lokalen und ergiebigen Starkregen-Ereignissen häuften sich. Einerseits müssen die Kommunen also mit sinkenden Grundwasserständen rechnen, andererseits sollten sie sich gegen Hitze und Sturzfluten schützen.
Vor diesem komplexen Hintergrund stellte Reiss wichtige Maßnahmen zur Klimaanpassung vor, mit deren Hilfe die Städte und Gemeinden im Oberen Mittelrheintal widerstandsfähiger gegenüber den Klimawandelwirkungen werden können. Damit die Klimaanpassung im Oberen Mittelrheintal gelingen kann, empfahl Martin Reiss konkret, angelehnt an das sogenannte Schwammstadt-Prinzip, Strategien für die Entwicklung grün-blauer Infrastrukturen. Dabei nimmt die Stadt wie ein Schwamm Niederschläge auf, um das Wasser in trockenen Zeiten langsam wieder abzugeben. Eine zentrale Rolle spielen Grünstrukturen – also Bäume, Sträucher, Fassaden- und Dachbegrünungen, Parks oder andere flächige Grünanlagen. Sie sorgen für Abkühlung der Luft, indem sie Wasser verdunsten und Schatten spenden. Bäume können die Umgebungsluft um bis zu 6 Grad Celsius kühlen. Entscheidend ist eine Kombination mit anderen Maßnahmen, etwa zur Verbesserung des Wasserrückhalts, der Bodenentsieglung beziehungsweise Verwendung sickerungsfähiger Materialien und der Gewährleistung eines ungehinderten Zustroms von Kaltluft.
Nun sind die Kommunen und bürgerschaftliches Engagement gefragt, um diese Vorschläge in die Praxis umzusetzen. Die Hochschulen in Geisenheim, Koblenz und Bingen bieten hierbei ihre Unterstützung an.
Der ausführliche Projektbericht kann hier abgerufen werden: https://www.hs-geisenheim.de/forschung/institute/landschaftsplanung-und-naturschutz/ueberblick-institut-fuer-landschaftsplanung-und-naturschutz/kachel-3-institut-lun/
Über dasselbe Projekt berichtete das Hessenfernsehen in der Sendung „alle wetter!“ am 08.03.2022. Das Interview mit dem Geisenheimer Wissenschaftler Prof. Dr. Eckhard Jedicke, Leiter des Kompetenzzentrums Kulturlandschaft (KULT), ist hier zu sehen: https://www.ardmediathek.de/sendung/alle-wetter/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8wMDAwMDAxMA/