Aktuelles aus dem Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau

Aktuelles

Begrünte Terrassen mildern Klimafolgen im Steillagen-Weinbau

Neu angelegter querterrassierter Weinberg mit naturschutzgerecht entwickelter Böschungsvegetation. Im Vergleich zu Falllinienweinbergen bietet dieser Anlagetyp eine vereinfachte und sicherere Bewirtschaftung, größeren Wasserrückhalt und Erosionsschutz sowie Lebensräume für die Förderung der Artenvielfalt; Bildquelle: Vera Wersebeckmann

Digitales Monitoring bei Befall mit Kirschessigfliegen

Dem Weinbau machen Klimawandelfolgen und Kirschessigfliegen zu schaffen. Doch es gibt praxisnahe Methoden, die zur Entschärfung und gleichzeitig zum Artenschutz beitragen. Ertragsminderungen durch extreme Trockenheit oder starke Niederschläge lassen sich etwa durch quer statt längs zum Hang angelegte Rebzeilen verringern, hat die Hochschule Geisenheim nachgewiesen. Zudem entwickeln die Firmen 3win Maschinenbau und Mabri.Vision in Aachen zusammen mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz ein App-basiertes Monitoringsystem für einen effizienteren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen Kirschessigfliegen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat beide Innovationen mit insgesamt rund 700.000 Euro gefördert.


Mächtiger Hebel zum Erhalt der Biodiversität


Das Deutsche Weininstitut (DWI) nennt als Herausforderungen des aktuellen Jahrgangs zum einen die extreme Trockenheit im Juni und zum anderen die darauf folgenden starken Niederschläge bis in den August. „Extreme Wetterereignisse werden durch die menschengemachte Erderwärmung immer häufiger und intensiver – darauf müssen wir uns vorbereiten“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Wer beim Weinbau in Klimaanpassungen investieren will, sollte nach seinen Worten zugleich den Artenschutz mitberücksichtigen. Denn Unternehmen – und damit auch Weingüter – haben Bonde zufolge einen „mächtigen Hebel zum Erhalt der Biodiversität in der Hand: durch Anpassen von Produktionsprozessen und durch schonenden Umgang mit Natur-Ressourcen“.


Extreme Wetterereignisse verringern Ertrag im Steillagen-Weinbau


An Steilhängen entlang des Rheins, der Mosel, des Mains, des Neckars und der Saale sieht man sie stellenweise noch: horizontal zum Gefälle angelegte und durch Trockenmauern gesicherte Terrassen mit Weinreben. Solche historisch geprägten Kulturlandschaften, die einen hohen Wert für die Artenvielfalt haben, bleiben häufig nur durch regionale Förderprogramme erhalten. Viele wurden in Falllinie umgebaut, um sie rentabler zu gestalten, denn der traditionelle Terrassenweinbau war reine Handarbeit. „Die Intensivierung des Weinbaus mit dem Anbau in Falllinie veränderte das Landschaftsbild der Steillagen. Weinstöcke in Falllinie, also entlang des Gefälles gezeilt, haben verbesserte Möglichkeiten der Mechanisierung“, sagt Prof. Dr. Ilona Leyer vom Institut für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim. Das Problem im Zuge des Klimawandels: Wasser fließt schneller ab, sodass einerseits die Böden bei Dürre eher austrocknen und andererseits die Wucht eines Starkregens schon mal ganze Böden samt Rebstöcken mit sich reißen kann, so Leyer. „Infolgedessen lohnt sich das Bewirtschaften mancherorts nicht mehr und Flächen fallen brach“, sagt sie. So ist etwa in den überwiegend durch Steillagen-Weinbau geprägten Regionen Mittelrhein und Mosel in den vergangenen 31 Jahren ein Rückgang der bestockten Rebfläche um knapp 40 Prozent bzw. etwa 30 Prozent zu verzeichnen.


Begrünte Böschungen sichern terrassierte Rebzeilen bei Starkregen


Im Steillagen-Weinbau bietet die moderne Querterrassierung mit hangparallelen Gassen, die befahrbar sind, nach Leyers Worten mehrere Vorteile im Vergleich zum Anbau in Falllinie: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass die mit begrünten Böschungen gesicherten Terrassen Extremwetterereignisse abmildern.“ Sie bieten also Erosionsschutz bei Starkniederschlägen und halten das Wasser länger im Boden. „Das lohnt sich nicht nur wirtschaftlich, sondern ist bei Verwendung regionalen Saatguts auch im Sinne des Artenschutzes“, so die Professorin. Von den besonnten wildkräuterreichen Hängen profitieren nachweislich Käfer, Ameisen, Heuschrecken und andere spezialisierte Insekten. Spinnen, Wildbienen und Vögel nutzen Leyer zufolge die ungestörten Weinbergsbrachen als Nist-, Nahrungs- und Rückzugsraum. Untersuchungsregion war die Unesco-Welterbe-Region Oberes Mittelrheintal. „Die Querterrassierung ist aber auf andere Steillagen-Anbaugebiete Deutschlands übertragbar“, sagt die Projektleiterin. Kooperationspartner waren die hessischen Staatsweingüter sowie ein hessischer und ein rheinland-pfälzischer Weinbau-Betrieb.


So wenige Pflanzenschutzmittel wie möglich: ein Gewinn für den Artenschutz


Neben der extremen Trockenheit sowie den anschließenden starken Niederschlägen gab es laut dem Deutschen Weininstitut noch eine dritte Herausforderung für den diesjährigen Wein-Jahrgang: die aus Asien stammende Kirschessigfliege. Kurz vor der Ernte befällt sie gesunde Früchte weichfleischiger Obstarten. „Beim Wein sind dies vorwiegend rote Rebsorten wie etwa Dornfelder und Trollinger“, sagt Daniela Kameke vom Institut für Phytomedizin des DLR Rheinpfalz. Als sinnvoll gelten das Überwachen der Population mit Monitoringfallen sowie regelmäßige Befallskontrollen. „Nur so können rechtzeitig Maßnahmen bei einem Befall eingeleitet werden“, sagt Kameke. Um das Monitoring für Weinbaubetriebe zu erleichtern, entwickeln die Firmen 3win Maschinenbau und Mabri.Vision aus Aachen zusammen mit dem DLR Rheinpfalz speziell mit Minicomputern und Kameras ausgestattete Monitoringfallen. Kameke: „Winzerinnen und Winzer behalten über eine Smartphone-App von jedem Ort mit Zugang zu mobilen Daten ihren Weinberg im Blick.“ Bei Befall kann dadurch der bestmögliche Zeitpunkt für eine Pflanzenschutzmittel-Anwendung bestimmt werden, um die optimale Wirkung zu erzielen. Ebenso wird die Entscheidung über eine vorgezogene Lese erleichtert, was unnötige Pflanzenschutzmitteleinträge in die Umwelt reduziert. Das entlastet nach ihren Worten Böden und Gewässer und ist zudem ein Gewinn für den Artenschutz.

 

Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)

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